2023 blickten die Deutschen so trübsinnig in die Zukunft wie seit den fünfziger Jahren nicht mehr. Und AfD-Anhänger sind meistens besonders pessimistisch. Kein Wunder also, dass die Partei so große Erfolge feierte. Manchmal fragt sich Thomas Petersen, wann es jemals ein Jahr wie 2023 gegeben hat. Petersen ist Meinungsforscher beim Institut Allensbach, und wenn er manche Umfrage sieht, muss er lange im Archiv suchen, um ein Jahr zu finden, in dem sich die Deutschen schon einmal so gefühlt haben. Zum Beispiel, als im vergangenen Winter 51 Prozent der Leute sagten, sie wüssten nicht, wie sie die nächste Heizrechnung bezahlen sollten. Petersen schaute nach und musste bis in das Jahr 1952 zurückgehen, um eine ähnliche Zahl zu finden. Damals waren viele Deutsche unsicher, ob sie schon genug Kohlen für den Winter hatten. In den 71 Jahren dazwischen war die Frage, ob jemand frieren muss, kein Thema. Die andere Umfrage, die Petersen stutzen ließ, kam Ende 2022. Da sagten nur 28 Prozent der Deutschen, dass sie mit Hoffnung auf das neue Jahr schauten. Der Rest erwartete nur wenig Gutes. Petersen ging wieder ins Archiv und musste auch diesmal bis ins Jahr 1951 zurückgehen, um einen ähnlich schlechten Wert zu finden. Damals tobte der Koreakrieg. Die Deutschen sind 2023 also so pessimistisch gewesen wie seit vielen Jahrzehnten nicht mehr. Für die AfD waren das ideale Bedingungen. Wenn ihre Anhänger etwas gemeinsam haben, dann ist es nicht der Rechtsradikalismus oder ein Gefühl des Abgehängtseins, sondern ihr tief ausgeprägter Pessimismus. AfD-Anhänger wähnen sich in einer Welt, die dem Untergang geweiht ist. Die Zahlen belegen das. Nur 13 Prozent der AfD-Anhänger sind Rechtsextremisten, 43 Prozent denken ausgeprägt rechts. Das macht zusammen 56 Prozent. Der ganze Rest sind Leute, deren Überzeugungen – abgesehen von ihrem Faible für die AfD – unauffällig sind. Sie sind Gemäßigte, und das ist, wie Petersen beteuert, wörtlich zu nehmen. Die AfD-Anhänger sind auch keine Bürgergeldempfänger in Problemvierteln, das haben Untersuchungen schon vor Jahren gezeigt. Die meisten haben einen soliden Kontostand und sind keine Verlierer. Mit FDP-Anhängern haben sie gemeinsam, dass sie große Individualisten sind. FDP-Anhänger sind aber Optimisten, AfD-Anhänger hingegen befürchten den Untergang des deutschen Volkes, wirtschaftlich, kulturell, ethnisch. Wenn Pessimisten AfD wählen, wundert es nicht, dass die im pessimistischsten Jahr seit 1951 große Erfolge feierte.

via faz: GRUND FÜR DIE AFD-ERFOLGE : Wer wenig Hoffnung hat, wählt eher rechts

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