Deutsche Soldaten trieben im März 1944 weißrussische Zivilisten in ein Stacheldrahtgefängnis im Sumpf von Osaritschi und überließen sie sich selbst. Nach sieben Tagen waren Tausende tot. Im Krieg gibt es kaum eine Grausamkeit, die nicht noch zu steigern wäre. Seit dem Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion im Juni 1941 war die Zivilbevölkerung in Ostpolen, den baltischen Staaten, Weißrussland, der Ukraine, Russland selbst und dem Kaukasus auf brutale Weise in den Vernichtungskrieg hineingezogen worden. Viele Millionen Menschen kamen dabei ums Leben: erschossen von SS-Einsatzgruppen, verbrannt in überrollten Dörfern, niederkartätscht von Artillerie, zerfetzt von Bomben, verhungert wegen des Raubes ihrer Nahrungsreserven. (…) Bis zum 12. März 1944 trieben Soldaten der 35. Infanteriedivision und eines SS-Kommandos mindestens 40.000, vielleicht auch mehr als 50.000 Zivilisten in drei mit Stacheldraht abgesperrte Sumpfgebiete nahe der weißrussischen Ortschaft Osaritschi. Irgendwelche Einrichtungen wie Latrinen, Brunnen oder gar Küchen gab es in diesen drei Arealen nicht, geschweige denn Baracken oder Zelte. Hunderte Menschen wurden schon auf dem Weg in den Stacheldraht erschossen, um die anderen gefügig zu machen. Viele der offiziell als „arbeitsunfähig“ bezeichneten Menschen waren krank, infiziert etwa mit Typhus oder Fleckfieber. Sie wurden mit geschwächten Menschen auf engstem Raum zusammengepfercht, ohne Nahrung und ohne sauberes Wasser. Im Kriegstagebuch der 9. Armee wurde das als Erfolg bewertet: „Die Erfassungsaktion hat für das gesamte Gefechtsgebiet eine wesentliche Erleichterung gebracht. Die Wohngebiete wurden erheblich aufgelockert und für Truppenunterkünfte frei. Für nutzlose Esser wird keine Verpflegung mehr verbraucht. Durch Abschieben der Seuchenkranken wurden die Infektionsherde bedeutend verringert.“ Eine Woche dauerte es, bis die Rote Armee die eingezäunten Areale einnahm. In dieser Zeit spielten sich hier unvorstellbare Szenen ab: Im tiefsten russischen Winter bei minus zehn Grad vegetierten die Zivilisten dahin. Verzweifelte versuchten, verseuchtes und gefrorenes Sumpfwasser irgendwie aufzutauen und dann zu trinken. Frauen und Kinder, Alte und Kranke starben scharenweise. Nach sieben Tagen waren etwa 9000 Menschen tot. Eine Sterberate, die nur noch von den deutschen Vernichtungslagern auf besetztem polnischen Boden wie Auschwitz-Birkenau, Treblinka oder Sobibor übertroffen wurde.