Die Germanen als kühne, freiheitsliebende, rotblonde Krieger – ein bis heute prägendes Bild, das einer romantisch-nationalistischen Konstruktion des 18. und 19. Jahrhunderts entspringt. Diese ging nahtlos in eine völkisch-rassische Ideologie über, auf die Rechtsextreme bis heute rekurrieren. (…) „Wenn man überhaupt wüsste, wer genau die Germanen sind, würde es schon leichter fallen. Aber es handelt sich hier um eine Fremdzuschreibung, die sich dann sukzessive in der Neuzeit etabliert hat. Wir haben es hier mit ganz unterschiedlichen Völkerschaften und Völkergruppen zu tun, die in dem Raum leben, in dem wir uns befinden, also im deutschen Raum.“ Uwe Puschner, Professor für Neuere Geschichte an der FU Berlin, 2020 nach Christus. Cäsar „erfand“ die Germanen. In der Antike wurde der Grundstein gelegt – für das Bild von den kriegerischen Germanen. Deren Schlachtruf schaurig über grausige Sümpfe und durch finstere Wälder hallte. Die gern einen über den Durst tranken mit einem Saft „von Gerste oder Weizen bereitet“. Sie siedelten im „Barbaricum“, rechts des Rheins, der die Grenze zum Römischen Reich war. Cäsar, so der Tübinger Althistoriker Prof. Mischa Meier, nannte sie „Germani“. Damit erfand er sie als homogene Gruppe. „Also Cäsar musste seinen Zeitgenossen erklären, warum er Gallien erobert hat und das Land rechts des Rheins nicht. Und das hat er dadurch versucht, dass er gesagt hat, zum einen ist das Land viel zu groß und zum anderen sind die Leute, die da leben viel zu wild und schlecht zu bezwingen und da lässt man lieber die Finger von. Und indem er das getan hat, hat er auf ein sehr traditionelles, aber etabliertes Reservoir von Barbarenstereotypen zugegriffen. Auf Eigenschaften, die auch auf ganz andere Gruppen angewendet wurden.“ Cäsars Schilderungen war von politischen Interessen bestimmt. Ähnliches gilt auch für den Geschichtsschreiber Tacitus, der „Germania“ ein ganzes Buch widmete: „Tacitus brauchte die Germanen, um einen Spiegel für das, was er als römische Dekadenz und Verdorbenheit diagnostiziert hat, zu erschaffen und musste dementsprechend die Germanen als das nicht Römische konstruieren.“ (…) Das 19. Jahrhundert feierte die Germanen – oder was man darunter verstand. Siegfried, Wotan, aufrechte blonde Recken, oft – archäologisch nicht haltbar – in Rüstung und mit Flügelhelm – wurden in Gemälden, in Gedichten und Romanen, Bühnenstücken und Opern verewigt. Mit der Errichtung des Hermannsdenkmals im Teutoburger Wald wurde Arminius als deutscher Nationalheld gefeiert. Und zunehmend wurde der Mythos um die Germanen völkisch-rassisch ausgedeutet. Die Rede war von der Existenz einer germanischen, nordischen Rasse, die anderen Völkern und Kulturen überlegen sei. Uwe Puschner:
„Groß gewachsen, blond, blauäugig, dieser Längstschädel spielt eine zentrale Rolle und das Ganze ist auch verbunden im Zeitalter des Imperialismus mit einem Herrschaftsanspruch, der schon den Germanen zugeschrieben wurde und den man sich auch selbst als den Nachkommen von Germanen zuschreibt.“ „Der Reinhaltung der Rasse messen wir eine besonders hohe Bedeutung bei. Ungeeignete Blutmischung führt zum Verfall. Unserem Volk muss der germanische Charakter erhalten bleiben.“ hieß es in einer Broschüre des völkischen „Deutschbundes“ in den frühen 20er Jahren des 20. Jahrhunderts. Rassenhygiene war denn auch für die Nationalsozialisten die zentrale Aufgabe aller Politik. „Deutlich wird, dass es Anhänger dieser Germanenideologie und dieser Germanenmythos gab, hier sind Heinrich Himmler, Alfred Rosenberg zu nennen. Aber es gibt auch Skeptiker, zu denen Hitler und Goebbels zu zählen sind. Nichtsdestotrotz, wenn man sich dann das Schrifttum oder die Propaganda ansieht, da schwirrt es nur so von Germanen und Germanenideologie.“ Auch heute noch gibt es diesen Kult ums Germanische in neonazistischen Gruppen, wie etwa bei der RechtsRock-Band „Die Lunikoff-Verschwörung“. „Wotan mit uns, niemand über uns, Heil dem Herr der Heere“ heißt es bei der NPD-nahen Band.

via deutschlandfunk: Wehrhaft, blond und blauäugig – der Mythos des Germanentums

Categories: Rechtsextremismus