Die ergreifende Protestnote der Milwaukee Bucks aus den Arena-Katakomben von Orlando trifft die aufgewühlten USA mit voller Wucht und setzt eine historische Zäsur. Am Jahrestag der ersten Anti-Rassismus-Aktion von NFL-Profi Colin Kaepernick folgen Sportler landesweit in zuvor noch nie da gewesener Art und Weise mit klaren Zeichen gegen Polizeigewalt und Rassismus in ihrem tief gespaltenen Land. Ausgelöst vom beispiellosen Playoff-Boykott der Basketballer aus Milwaukee verzichteten am Mittwoch (Ortszeit) Teams und Spieler in der NBA, MLB, MLS und WNBA auf ihre Wettkämpfe. Laut dem Sender ESPN schloss sich verspätet auch die Eishockey-Liga NHL der Protestserie an und sagte die für Donnerstag angesetzten Spiele ab. Die Ligen reagieren damit auf die jüngste Gewalttat von Polizisten gegen einen schwarzen Amerikaner. Der 29 Jahre alte Familienvater Jacob Blake war am Sonntag im US-Bundesstaat Wisconsin durch Schüsse der Polizei in seinen Rücken schwer verletzt worden. Das Auftreten der Bucks um Basketball-Superstar Giannis Antetokounmpo hinterlässt tiefen Eindruck. Nahezu komplett in Schwarz tritt das Team aus Wisconsin vor die Medien, um mit ebenso wuchtigen Worten seine Position darzulegen. Zuvor war der Titelkandidat einfach nicht zu seinem Playoff-Spiel gegen die Orlando Magic erschienen. Worte sind genug gesprochen, es ist Zeit für Taten – das ist die Botschaft, die ausgerechnet aus dem Gute-Laune-Park Walt Disney World Ressort in die Welt geht. «Wir fordern Gerechtigkeit für Jacob Blake und dass die beteiligten Officers zur Rechenschaft gezogen werden», sagen George Hill und Sterling Brown, stellvertretend für ihre Teamkollegen. Sie fordern, «nach Monaten der Inaktivität bedeutsame Maßnahmen zu ergreifen», um Polizisten zur Rechenschaft zu ziehen und die Themen «Polizeigewalt und Reform der Strafjustiz» endlich anzugehen. Die Heimstätte der Bucks liegt nicht einmal eine Stunde von dem Ort entfernt, an dem Blake niedergeschossen wurde.

via zeit: US-Sport vs. Rassismus: Historischer Bucks-Boykott und seine Folgen

siehe auch: Spieler streiken wegen Rassismus Bundesliga, bitte lerne von der NBA. Die NBA-Playoffs sollen am Freitag forgesetzt werden. Aber die Boykott-Botschaft der Basketballer ist deutlich und zielt auf die Politik: Gleichberechtigung für People of Color. Dafür gehen die Profis bis zum Äußersten. Die Fußball-Bundesliga scheint für so was noch nicht bereit. Spielen oder nicht? Erst kurz vor dem Spiel fällt die Entscheidung. So kann es nicht weitergehen, es muss ein Zeichen gesetzt werden: Die Basketball-Profis betreten aus Protest gegen Rassismus in den USA nicht das Parkett und boykottieren die Partie. Dieses Szenario spielte sich nicht gestern Nacht in der NBA-Play-off-Bubble in Orlando ab, sondern 1961 in Kentucky. Als Bill Russell, einer der besten Spieler der nordamerikanischen Profiliga aller Zeiten, und die schwarzen Spieler der Boston Celtics nicht gegen die St. Louis Hawks antraten, nachdem schwarze Teamkollegen vor Ort in einem Restaurant nicht bedient wurden. Die Schwarzen der Hawks verließen ebenfalls das Feld – die weißen Spieler beider Mannschaften legten allerdings ihre Uniformen an und die Partie fand statt. Angst vor Polizeigewalt und Rassismus ist mitnichten ein neues Phänomen in den USA. Seit Jahrhunderten kämpfen People of Color (PoC) in dem Land um ihre Rechte, ihre Gesundheit – ihr Leben. Seit Jahrzehnten protestieren auch US-Athleten gegen Diskriminierungen. Das rassistische System, in dem PoC um ihre Versehrtheit fürchten müssen, bleibt indes intakt. Vor 52 Jahren etwa erhoben die Sprinter Tommie Smith und John Carlos nach dem Gewinn ihrer olympischen Medaillen in Mexico City die Fäuste und wurden ausgestoßen (…) Solche resoluten humanistischen und sozialen Aktionen scheinen in der Fußball-Bundesliga undenkbar. Aber die deutschen Kicker sollten sich ein Beispiel an den NBA-Profis nehmen. Mündige Profis gibt es hierzulande maximal auf Instagram – aber das ist eigentlich schon ein Widerspruch in sich. Als sich Mesut Özil im Sommer 2018 rassistischer Hetze im Netz ausgesetzt sah, stellten sich nur die Spieler mit Migrationshintergrund hinter ihn. Wie damals bei den Celtics 1961. Thomas Müller wusste sogar, dass “von Rassismus im Sport und in der Nationalmannschaft keine Rede sein kann”. Die rassistischen Äußerungen vom Ex-Schalke-Boss Clemens Tönnies, die rassistischen Sprechchöre einiger Fans beim Nationalmannschaftsspiel im März 2019, die rassistischen Beleidigungen, die sich der Herthaner Jordan Torunarigha vergangene Saison auf dem Platz anhören musste: Allein diese drei unter vielen weiteren Fällen zeigen, dass Müller Unrecht hatte. Und, dass die Bundesliga noch viel von der NBA lernen kann und sollte. Haltung zeigen vor allem. Denn Einsatz für Gleichberechtigung, für Minderheiten und für Menschen mit Rassismuserfahrungen, auch wenn es einen Spielabbruch mit sich bringt, ist immer wichtiger als Sport. Aber die Fußballer in Deutschland boykottierten nicht, als rassistische Diskriminierungen ihren Sport beschmutzten. Auch nicht als der NSU mordete. Nicht nach Halle. Nicht nach Hanau. Sie bestreikten lediglich die letzten Minuten der Partie FC Bayern gegen TSG Hoffenheim, als der weiße Milliardär-Mäzen Dietmar Hopp auf Plakaten verunglimpft wurde.

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