Ein „Handbuch der öffentlichen Meinung“ soll rechte Kreise im Umgang mit der klassischen Tagespresse sowie Rundfunk- und Fernsehsendern schulen. Seit rund einem viertel Jahr kursiert ein Theoriepapier zum Medienumgang aus rechtspopulistischem Blickwinkel. Das 35-seitige „Handbuch der öffentlichen Meinung“ wird von einer „Agora-Initiative“ verantwortet, benannt nach dem historischen Marktplatz in Athen, und macht gerade die Runde innerhalb der Neuen Rechten und bei offenkundig leicht zu manipulierenden Corona-„Wutbürgern“. Es liest sich wie eine Bedienungsanleitung und kommt einem Gegenentwurf für eine Medienkompetenzschulung gleich. Im Duktus sind die Verantwortlichen auf Seriosität und vermeintliche Wissenschaftlichkeit bedacht, liefern quasi ein Konzept mit zahlreichen Quellenangaben, sprechen von politischer Bildung, stellen die Bundesrepublik aber auch als zentralistischen Top-Down-Staat dar. Die „Agora-Initiative“ ist ein Aufruf, sich von der klassischen Tageszeitung und von etablierten Rundfunk- und Fernsehsendern abzuwenden. Zum eigenen Credo heißt es nämlich: „Große Medienkonzerne verbreiten Narrative, die als unhinterfragbar dargestellt werden. Als souveräne Staatsbürger haben wir das Recht, (…) uns unabhängig von den zentralen Leitmedien zu informieren.“ Status Quo sei, dass der freie Meinungs- und Gedankenaustausch „durch einheitliche und einseitige Medienberichterstattung untergraben“ werde. Und außerdem wird ohne jeglichen Beleg behauptet, über 90 Prozent der Bevölkerung sind „abhängig von zentralen Medien, die ein pluralistisches Meinungsspektrum in weiten Teilen vermissen lassen“. „Desinformierte Öffentlichkeit“ und „gezielte Manipulation der öffentlichen Meinung“ sind weitere Formulierungen, die als Tatsachen in den Raum gestellt werden. Fehlende Transparenz wird zwar angeprangert, aber die Namen eines oder mehrerer Autoren der „Agora“-Thesen sucht man vergebens. Auf Seite 6 des Handbuches wird etwa über angeblich positive Etikettierungsbegriffe „aufgeklärt“, dann an dieser Stelle das Beispiel „Vielfalt“ eingebracht und behauptet, dass „,Vielfalt‘ keinesfalls notwendigerweise eine Bereicherung darstellt. In den Staaten mit einer großen Vielfalt wie den USA oder Südafrika gibt es große Probleme mit Konflikten und Spannungen zwischen den verschiedenen dort lebenden ethnischen und religiösen Gruppen, während Gebiete mit geringer Vielfalt wie Japan, Polen und Finnland keine derartigen inneren Zerwürfnisse aufweisen.“ An diese Argumentation unmittelbar anschließend fügt man den Satz „40,6 % der Kinder unter fünf Jahren haben in Deutschland bereits einen Migrationshintergrund“ hinzu. Diesen stellt man in einen Zusammenhang, der Angst einflößen soll, um eine destabilisierende Stimmung zu erzeugen. Dazu heißt es dann in Zeigefingermanier zum Begriff „Vielfalt“, dass „die ethnische und religiöse Inhomogenität“ als „unhinterfragbar und bedingungslos gut dargestellt“ werde, „obwohl bei objektiver Betrachtung ein ganz anderes Bild entstehen würde.“ Also: Objektivität, die die Verfasser anderen absprechen, nehmen sie für sich („bei objektiver Betrachtung“) in Anspruch. Aufgegriffen wird das thematische Beispiel auf Seite 15, wenn unterstellt wird, in Deutschland gebe es eine Schwarz-Weiß-Logik in der Migrationsdebatte: „Entweder man ist für die Politik des Multikulturalismus und der unbegrenzten Masseneinwanderung oder man ist ein Ausländerfeind und ein Hassmensch.“

via bnr: Medien-Aufklärung aus neurechter Weltsicht

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