Am Bundesarbeitsgericht haben von seiner Gründung bis Anfang der 1980er-Jahre Richter mit einer Nazi-Vergangenheit Recht gesprochen. Sie haben während der Zeit des Nationalsozialismus Todesurteile an Sondergerichten verhängt oder die Enteignung von Juden organisiert. Bis heute hängen die Bilder dieser Juristen in der Galerie ehemaliger Richter am Bundesarbeitsgericht in Erfurt. Eine systematische Aufarbeitung hat bisher nicht stattgefunden. Bis heute hat es im Bundesarbeitsgericht keine Aufarbeitung der NS-Vergangenheit von früheren Richtern gegeben. Das macht sich unter anderem an den Bildern der NS-belasteten Juristen in der Galerie fest, die kommentarlos in einem Konferenzraum hängen, in dem schon Ehrengäste empfangen wurden. Das Leben von Ferdinand Hans endete am 6. Oktober 1942. Um 5 Uhr wurde er zum Schafott in der Haftanstalt Stuttgart geführt. Sieben Minuten später war Hans tot, er wurde durch den Scharfrichter enthauptet. Ein katholischer Geistlicher sprach noch ein kurzes Gebet, dann wurde der Leichnam des erst 21-Jährigen in das Anatomische Institut der Universität Tübingen überführt, wo er für wissenschaftliche Zwecke genutzt werden sollte.
Sämtliche Gnadengesuche für Verurteilten abgelehnt. Die Mutter des jungen Elsässers sah sich nicht in der Lage, die Beerdigung ihres Sohnes zu zahlen. Hans’ Verbrechen: der Diebstahl von Uhren, Schmuck, Schnaps, Tabak oder anderen Lebensmitteln aus Paketen. Er war ein Beamter bei der deutschen Reichspost und für den Transport von Paketen verantwortlich. Dabei flog er auf, wurde geschnappt und gestand seine Taten. Dafür kam Hans vor das Sondergericht Mannheim. Diese Sondergerichte waren von den Nazis 1933 geschaffen worden und ein Bestandteil des politischen Unterdrückungsapparates im Dritten Reich. Vom Mannheimer Sondergericht wurde Hans zum Tode verurteilt. Die Richter beriefen sich dabei auf die Verordnung des Reiches für sogenannte Volksschädlinge. “Zur wirksamen Abschreckung und gerechten Sühne ist daher nach gesundem Volksempfinden (…) die Todesstrafe erforderlich”, heißt es im Urteil vom August 1942. Geschrieben hatte es der damals 35 Jahre alte Richter am Sondergericht, Willy Martel. Er und seine beiden Richterkollegen waren es auch, die sämtliche Gnadengesuche für Hans ablehnten. Sein Anwalt, der Gefängnisdirektor, der Staatsanwalt und sein Chef bei der Post hatten sich für ihn eingesetzt – ohne Erfolg. Vierzehn Jahre später beginnt für den ehemaligen Richter im Dritten Reich eine neue Karriere. Das Ex-NSDAP-Mitglied Martel wird Richter am inzwischen neu geschaffenen Bundesarbeitsgericht an seinem damaligen Sitz in Kassel. Bis heute hängt sein Bild ohne einen einordnenden Kommentar in der “Ahnengalerie” in dem Gebäude auf dem Erfurter Petersberg, wohin das Gericht 1999 umgezogen ist. Wie die Bilder von zwölf weiteren Richterinnen und Richtern, die nach MDR-Recherchen eine ähnlich belastete NS-Vergangenheit hatten.
via br: Die Dritte Schuld: NS-Richter am Bundesarbeitsgericht