Eine Trollarmee zieht gegen die öffentlich-rechtlichen Sender zu Felde. Sie schwadroniert von „Gleichschaltung“ – ein absurder Vorwurf. Öffentlich-rechtliche Sender sind für Leute vom rechten Randgebiet und deren sich mehrende Sympathisanten aus der „Mitte der Gesellschaft“ ein rotes Tuch. Sie haben das Akronym ÖR als Kürzel für ihre Feinde übernommen, und sie rennen gegen ÖR an, so erbost wie zugleich magnetisch davon angezogen. Hört her, der ÖR! Da wird zensiert, manipuliert, beschönigt, bagatellisiert! So wütet und klagt es seit ein paar Jahren. Den längst geläufigen Trollen gesellen sich inzwischen auch Trollbürger hinzu, die äußerlich achtbar wirken, sich jedoch an die gesellschaftliche Borderline begeben. Ende 2018 hatte der Schriftsteller Uwe Tellkamp in Sachsen ganz generell von einer „Kulturdiktatur“ der Medien geraunt, von „Maßregelung und Zurechtweisung“ derer, die nicht dem „Meinungskorridor“ eines vermuteten klandestinen Bündnisses gegen rechts angehörten. In leichter Abwandlung ortet nun Ulf Poschardt, der Chefredakteur der „Welt“, einen „hermetischen Werte- und Wahrnehmungskorridor“ der öffentlich-rechtlichen Medien, in denen sich „beamtenähnliche Journalistenexistenzen“, etwa bei den „Tagesthemen“, zu einem „konformistischen Haltungskollektiv“ verschworen hätten. Am beliebtesten sind Themen wie die vermeintlich geschönten Statistiken zu kriminellen Clans oder Straftaten, die Asylsuchende gegen deutsche Frauen begehen. Zu alldem kämen in den Nachrichten eher Fake News mit Zuckerguss. Doch das ÖR-Bashing ist nicht wählerisch. Aktuell nutzt es gern den Fall des freien Journalisten Richard Gutjahr.(…) In der Regel bezieht sich die rechte Missbilligung vor allem auf die Präsentation von Fakten beziehungsweise deren vermeintliche Entstellung. Hochrangigster Kritiker war unlängst der frühere Verfassungschef Hans Georg-Maaßen in seiner schon berühmten Diskussion im öffentlich-rechtlichen Fernsehen mit dem wacker argumentierenden Markus Lanz. Maaßen empörte sich über verzerrende Darstellungen von Flüchtlingen – „das sind Migranten, keine Flüchtlinge!“ – , wo statt der jungen Männer die großäugigen Mädchen gezeigt würden, und ereiferte sich über Rettungsschiffe als „Shuttle-Service“. Das Problem sei, „dass die Leute den Medien mehr und mehr nicht mehr glauben“.
Die Regierung kontrolliert die Sender nicht Solche Stimmen erklären tatsächlich für „die Leute“, respektive „das Volk“, gegen „die Medien“ zu sprechen. „Das Niveau unserer Staatssender ist schon lange unterirdisch“, schreibt ein weiterer auf Gutjahrs Website, es würden „regierungsfreundliche Funk-Funktionäre finanziert“, es gebe „Filz hoch 3“, die Sender seien „wie der ,Schwarze Kanal‘ der DDR“. (…) Wo eine im Kern völkisch gesonnene Trollarmee gegen die Sender zu Felde zieht und vom „Schwarzen Kanal“ oder von „Gleichschaltung“ und „Umvolkung“ schwadroniert, offenbart sie indirekt dahinterliegende Wünsche. Unerträglich scheint den ÖR-Kritikern eine Haltung, der es, wie im Auftrag begründet, um Artikel 1 des Grundgesetzes geht, um die Würde des Menschen und zu deren Schutz um die Erhaltung der Demokratie.

via tagesspiegel: Worum es in der Kritik an ARD, ZDF und Co wirklich geht

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