Das Internetportal “Nius” von Ex-“Bild”-Chef Julian Reichelt drängt auf den Fernsehmarkt. Recherchen zeigen, wie sehr das Unterfangen auf seinen reichen Investor angewiesen ist. Und wie es aussehen kann, wenn er die Lust verliert. Es ist ein einfaches Themenprogramm, mit dem Ex-“Bild”-Chef Julian Reichelt nach seinem Aus beim Axel-Springer-Verlag seit rund anderthalb Jahren zurück ins Scheinwerferlicht drängt: Das Land befinde sich am Abgrund. Ausländer bedrohten die deutsche Idylle. Die Grünen seien schuld. Die CDU sei zu links. Politische Meinungsmache ist der Kern des Onlinemediums “Nius”, das Reichelt seitdem verantwortet. Mittlerweile hat “Nius” eine bundesweite Fernsehlizenz und weitere Expansionspläne. Möglich gemacht hat all das, wie t-online vielfach berichtete, der Multimillionär Frank Gotthardt. Nach längerer Geheimniskrämerei steht er inzwischen selbst dazu und räumte vor wenigen Monaten in einem raren Interview ideologische Motive für die Finanzierung des Senders ein. Im Dunkeln blieb dabei aber bislang, wie sehr “Nius” tatsächlich auf Gotthardt angewiesen ist. Einen Unternehmer, dessen Vermögen in den vergangenen Monaten um Hunderte Millionen Euro geschrumpft ist. t-online liegen belastbare Informationen zum Investment vor: Geschäftliche Unterlagen des Unternehmenskonstrukts zeigen, dass Gotthardt “Nius” komplett in der Hand hält – und schon jetzt viele Millionen investiert hat, auf deren Rückzahlung er nach wie vor hofft. Zeitgleich zeigt sich in Gotthardts Heimat, wie es offenbar aussieht, wenn er die Lust an einem Geschäftsvorhaben verliert: Seine regionalen Fernsehsender werden radikal zurückgebaut. Denn der Unternehmer hat in Rheinland-Pfalz Erfahrungen gesammelt, mit Bewegtbildern Meinung und schlechte Geschäfte zu machen. (…) Die ersten Millionen waren jedenfalls schon weg, lange bevor “Nius” seinen ersten Beitrag veröffentlichte: Das sehr kurze erste Geschäftsjahr 2022 schloss die Ende September 2022 gegründete Vius mit einem Fehlbetrag von 2,6 Millionen Euro ab, die Verbindlichkeiten lagen nach drei Monaten bei 5,2 Millionen Euro. “Nius” mit seiner heutigen Besetzung ging erst im Juli 2023 an den Start. t-online vorliegende Handelsregisterunterlagen zeigen: Wenige Monate danach schoss Gotthardt 9,4 Millionen in die Kapitalrücklage der Vius SE & Co. KGaA zu. Insgesamt dürfte er inzwischen sogar noch deutlich mehr Geld investiert haben. Die “Zeit” will aus seinem Umfeld erfahren haben, dass er mittlerweile 50 Millionen Euro in das Portal gesteckt hat. Der nächste Jahresabschluss könnte Aufschluss geben. Seine Firma könnte weitere Zahlungen in die Rücklage geleistet oder Darlehen gegeben haben. (…) Unstrittig ist: Werbung ist zentral für die Finanzierung der meisten Onlinemedien. Sehr polarisierende Inhalte gelten als schwer vermarktbar. Die Inhalte der “Nius”-Medien sind deswegen ein Problem für potenzielle Kunden und damit für das Geschäftsmodell. Einzelne Unternehmen haben bereits erklärt, die Seite für Werbung sperren zu lassen, nachdem ihre Anzeige dort automatisiert erschienen war. Schließlich gibt es regelmäßig öffentliche Empörung über die einseitige Stimmungsmache bei “Nius”, die immer wieder Fakten auslässt. Die Landesmedienanstalt Berlin-Brandenburg hat bereits einen Verstoß gegen journalistische Sorgfaltspflichten festgestellt. Und der Sound des Portals hat auch prominente Zugpferde abgeschreckt.
via t-online: Inside “Nius” Die Millionen des verschwiegenen Geldgebers