Eine Sitzblockade als geschützte Versammlung? Ja – aber nicht, wenn sie eine andere Versammlung komplett lahmlegt. Das BVerfG hält die Verurteilung eines Gegendemonstranten zu einer Geldstrafe für verfassungsgemäß. Gegendemonstrationen gehören zur Demokratie wie Trillerpfeifen zur Protestkultur. Unterschiedliche Positionen dürfen – ja sollen – aufeinandertreffen. Was jedoch nicht geht: wenn eine Gegendemonstration die ursprüngliche Versammlung so blockiert, dass dort gar nichts mehr weitergeht. Genau an dieser Stelle zieht das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nun eine klare Linie: Wer an einer Gegendemonstration teilnimmt, steht zwar unter dem Schutz des Art. 8 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Doch dieser Schutz endet dort, wo die eigene Versammlung nicht mehr Teil des Meinungskampfs ist, sondern zur faktischen Stilllegung der anderen wird. So lag es im Fall eines Mannes, der 2015 in Freiburg an einer Sitzblockade teilnahm – und damit den Aufzug einer angemeldeten religiösen Versammlung vollständig zum Erliegen brachte. Wegen einer “groben Störung” nach § 21 Versammlungsgesetz (VersG) wurde er zu einer Geldstrafe verurteilt. Seine Verfassungsbeschwerde dagegen hat das BVerfG nun zurückgewiesen (Beschl. v. 01.10.2025, Az. 1 BvR 2428/20). (…) Karlsruhe beginnt mit einem klarstellenden Schritt: Die Gegendemonstration war tatsächlich eine Versammlung im Sinne des Grundgesetzes. Entscheidend sei dafür, dass eine Zusammenkunft ein “kommunikatives Anliegen” verfolgt – also einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung leistet. Dass sie daneben auch Elemente der Störung enthält, nehme ihr den Versammlungscharakter nicht automatisch. Die Gegendemo-Gruppe am Martinstor äußerte ihre politischen Ansichten lautstark und sichtbar. Das reicht, so das BVerfG. Reine Störaktionen ohne eigenes politisches Anliegen wären hingegen gar nicht vom Schutz erfasst – doch so lag der Fall nicht. Zugleich betont der Senat grundsätzlich, dass Versammlungen in physischer Präsenz auch in Zeiten von Social Media ein unverzichtbares Instrument der kollektiven Meinungskundgabe bleiben – gerade weil sie unabhängig von Algorithmen direkt im öffentlichen Raum wirken. Der Schutzbereich des Art. 8 GG war also eröffnet. Trotzdem hält Karlsruhe fest, dass die spätere Bestrafung einen gerechtfertigten Grundrechtseingriff darstellt.

via lto: BVerfG zu Grenzen der Versammlungsfreiheit Gegen­de­mon­s­t­ra­tion ja – Voll­b­lo­c­kade nein

Symbolbild: Sitzblockade

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