Studentenverbindungen sind nicht nur konservativ und in der übergroßen Mehrheit Männerbünde, sie funktionieren auch als Zeitkapseln, die Werte aus ihrer monarchistischen Entstehungszeit bewahren und an ihre Mitglieder vermitteln. Kritik an Studentenverbindungen konzentriert sich oft auf Überschneidungen zur politischen (extremen) Rechten, meist bei Burschenschaften. Der Rest der Studentenverbindungen labelt sich selber als „unpolitisch“, teilweise wohl aus echter Überzeugung. Rosa Luxemburg schrieb dazu einmal passend: „Unpolitisch sein heißt politisch sein, ohne es zu merken.“ Ist es etwa unpolitisch, wenn das Corps Irminsul zu Hamburg seit 1989 zur Bismarckschen Reichsgründung von 1871 eine „Champagnerkneipe anlässlich der Reichsgründung 1871“ (Zitat 2020) feiert?   Bismarck-Geburtstagsfeiern Viele Verbindungen vermitteln Mitgliedern durch eigenen Unterricht („Fuxenstunde“) oder Hausgeschichtsschreibung ein spezielles Geschichtsbild, in dem das Kaiserreich eine Art goldenes Zeitalter darstellt. Das findet auch in jährlichen Gedenk-Veranstaltungen seinen Niederschlag. Heutzutage wird ansonsten nur noch bei kleinen monarchistischen Gruppen oder Neonazis an den Bismarck-Geburtstag, die Reichseinigung 1871 oder das verflossene deutsche Kolonial-Imperium nostalgisch erinnert. Nicht nur bei den berüchtigten Burschenschaften der „Deutschen Burschenschaft“, auch bei anderen Burschenschaften, bei den Corps, bei den „Vereinen Deutscher Studenten“ (VDSt), bei den Landsmannschaften, bei den Turnerschaften und bei den Sängerschaften finden solche Veranstaltungen statt, meist in Form spezifisch korporierter Rituale wie „Kommersen“ oder „Kneipen“ (Trinkveranstaltungen). In einzelnen Orten wie Bielefeld, Bremen, Hamburg, Oldenburg oder Wilhelmshaven sind die alljährlichen Bismarck-Geburtstagsfeiern Kooperations-Veranstaltungen fast aller örtlichen Verbindungen und Altherren-Verbände. Der „Bismarck-­Kommers der Bielefelder Korporationsverbände“ etwa wird von fünf aktiven Studentenverbindungen und Vertretern von zwölf Dachorganisationen organisiert. Bei solchen Gedenk-Festveranstaltungen treten durchaus auch schon einmal rechte ReferentInnen auf. So referierte beim 74. Bismarck-Kommers in Oldenburg, der am 1. April 2022 vom „Verband alter Burschenschafter Oldenburg“ ausgerichtet wurde, der rechte Publizist und AfD-Mitarbeiter Erik Lehnert zum Thema „Bismarck und der Osten“.

via aib: Der Geist von Vorgestern trägt Bändel