Reichsbürger Ingo K. soll versucht haben, Polizisten zu erschießen. Vor Gericht widerspricht er seinen eigenen Angaben, die er vor Ermittlern gemacht hat. Mit schwerem Gerät macht sich ein Polizist des Spezialeinsatzkommandos am Rollladen zu schaffen. Von oben nach unten, von links nach rechts schneidet er die Abdeckung der Terrassentür auf. Er greift zum Entglasungswerkzeug. Plötzlich fällt ein Schuss. Dann ein zweiter, dritter, vierter. Im Rollladen sind Löcher, vor dem Rollladen sind glasige Staubwolken zu sehen. Der SEK-Beamte fällt. Chaotische, hektische Schreie sind zu hören. Es folgen Dutzende Schüsse aus verschiedenen Positionen. Es ist die Szene eines mutmaßlichen Mordversuchs, geschehen am 20. April 2022 in Bobstadt, einem 400-Seelen-Dorf im Nordosten Baden-Württembergs. Festgehalten ist sie auf Videoaufnahmen der Polizei. Damals wollte das Einsatzkommando auf einem Gehöft eine Pistole aus dem Besitz des Reichsbürgers Ingo K. einziehen. Im Prozess vor dem Oberlandesgericht Stuttgart hat sich K. nun erstmals zu der Tat an sich geäußert – allerdings nicht ohne Widersprüche. Seit April läuft das Verfahren gegen den 55-Jährigen. Die Anklage lautet auf 14-fachen versuchten Mord – so viele Polizisten hätten nach den Ermittlungen der Bundesanwaltschaft von tödlichen Schüssen getroffen werden können. Zu Beginn hat sich der Angeklagte nur zu seiner Person geäußert. Nun steht Verteidiger Thomas Seifert, der eine schriftliche Erklärung im Namen seines Mandanten verliest, vor einer Menge Fragen. Eine davon: Wie kann sich ein derart tödlicher Hass in einem Menschen aufbauen? Schwurbelschreiben sollen “Provokation” gewesen sein In der Erklärung geht es um K.s Mutter, die Ausreise aus der DDR, seine Naturverbundenheit. Aber auch um seine “Nachdenklichkeit” gegenüber der Bundesrepublik. Auslöser sei die Corona-Pandemie gewesen. Und schließlich: um die Schreiben im verschwurbelten Reichsbürger-Sprech, die K. an Behörden verschickte.
via zeit: Prozess gegen Ingo K. : Reichsbürger-Schütze in Erklärungsnot