Nach der kurzfristigen Befriedigung des Aufstands der Söldnerarmee Wagner versucht man in Moskau, wie gewohnt so zu tun, als sei nichts geschehen. Doch das soll dieses Mal nicht gelingen – selbst staatsnahe Medien beurteilen den Vorgang regierungskritisch. (...) Am Sonntagmorgen lief im Ersten Kanal die Kochshow „Köche auf Rädern“, als ob nichts gewesen wäre. Das war allerdings auch nicht erstaunlich: Seit Beginn des russischen Feldzugs gegen die Ukraine ist das Staatsfernsehen besonders darum bemüht, den Eindruck größtmöglicher Normalität zu verbreiten.Auch die kremlnahe Tageszeitung „Iswestija“ ging nur noch am Rande auf die Wagner-Rebellion des Vortages ein: Der Busverkehr in den Regionen Lipetsk und Woronesch verlaufe wieder normal, vermeldete sie in einer kurzen Meldung. In die beiden Gebiete waren die Einheiten der Söldnerarmee von Rostow am Don im Süden Russlands aus am Samstag bis auf 400 Kilometer an Moskau herangekommen, woraufhin der öffentliche Nahverkehr dort eingeschränkt worden war. (,,,) Die auflagenstarke Boulevardzeitung „Moskowski Komsomolez“ – ebenfalls nah an der Staatsmacht – nahm sich des Wagner-Aufstands hingegen gründlich an, und das zum Teil sogar regierungskritisch: „Prigoschin geht, Probleme bleiben“, betitelte Kolumnist Michail Rostowskij sein Meinungsstück, in dem er den Kreml dafür kritisierte, mit der Wagner-Truppe das Gewaltmonopol des Staates privatisiert zu haben. In Washington, Kiew, Warschau und anderen Hauptstädten werde nun daraus die Lehre gezogen: „Man muss die Russen unter Druck setzen, es funktioniert.“ Wie ambivalent die Figur Prigoschin von offizieller Seite in Russland wahrgenommen wird, kommt in einem Kommentar des stellvertretenden Chefredakteurs des „Moskowski Komsomolez“ zum Ausdruck: „Wer sind Sie, Herr Prigoschin?“, fragt Wadim Poegli in seinem Kommentar, der gegen den Wagner-Chef gerichtet ist: „Der Held der Spezialoperation, der Bachmut eingenommen hat?“ „Zweifelsohne“, antwortet Poegli selbst. Und fährt dann fort: „Aber General Wlassow war auch ein Held der Verteidigung von Moskau. Stalin verlieh ihm dafür den Rotbannerorden und beförderte ihn zum Generalleutnant.“ Dazu muss man wissen: Andrei Andrejewitsch Wlassow gilt als der große Verräter Russlands. Als er nach der Verteidigung Moskaus im Zweiten Weltkrieg in Kriegsgefangenschaft geraten war, schlug er sich auf die Seite der Deutschen. 1946 wurde er deswegen in Moskau hingerichtet.
via rnd: Wagner-Aufstand legt Schwächen offen Moskau will Normalität demonstrieren – doch einige Medien spielen nicht mit