Reichsbürger Ingo K. soll versucht haben, Polizisten zu erschießen. Was bislang nicht bekannt war: Schon vor Jahren nahm K. an Aufmärschen der rechtsextremen Szene teil. (…) Drei Wochen später, am 24. März, demonstriert das Bündnis erneut. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer skandieren Parolen wie “Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen” – Sprüche, die auch die rechtsextreme Identitäre Bewegung und die NPD verwenden. Unter den Demonstranten: der Reichsbürger Ingo K. Er steht seit April vor dem Oberlandesgericht Stuttgart. Im April 2022 soll er versucht haben, 14 Polizisten auf dem Grundstück seiner Wohnung zu erschießen. Die Anklage lautet unter anderem auf versuchten Mord. Recherchen von ZEIT ONLINE belegen, dass K. an den Aufmärschen teilgenommen hat – bislang war unbekannt, ob er in der extremen Rechten aktiv und vernetzt war. Zu der Tat kam es in Bobstadt, einem 400-Einwohner-Dorf im Nordosten Baden-Württembergs. Als ein Spezialeinsatzkommando eine Waffe aus K.s Besitz einziehen wollte, eröffnete er das Feuer, verletzte zwei Beamte mit Schüssen. Laut Anklage betrachtete der 55-Jährige sein Gelände als Gebiet außerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Gesichert war bisher nur, dass K. auch Anhänger der Querdenken-Bewegung war. Mitte 2020 nahm er an einer Demonstration des Bündnisses im baden-württembergischen Bad Mergentheim teil (…) Ob K. im Frühjahr 2018 bloß ein friedlicher Trommler war, ist fraglich. Denn: An der zweiten Demonstration vom 24. März 2018 nahm er vermummt teil. Er trug ein ins Gesicht gezogenes Halstuch samt Kapuze, Sonnenbrille und Mütze. Und dazu: Handschuhe mit Schutzprotektoren, die unter das Waffenrecht fallen. Im Rahmen einer Demonstration sind sie strikt untersagt. Üblicherweise werden sie im Sicherheitsgewerbe eingesetzt. K. war Kampfsporttrainer und arbeitete jahrelang im Security-Dienst. Im Juni 2018 verurteilte das Amtsgericht Kandel ihn wegen der Vermummung und der Handschuhe auf der Demonstration zu einer Geldstrafe von 1.800 Euro. Eine Tat, die angeblich “nicht zuzuordnen” ist Dass sich K. im Vorfeld auf rechtsextremen Demonstrationen bewegt hatte, wirft ein neues Licht auf die behördliche Einschätzung der Tat. Martina Renner, Bundestagsabgeordnete der Linken und Expertin zur rechtsextremen Szene, fragte im Januar dieses Jahres die Bundesregierung, wie viele Tötungsdelikte aus dem Bereich der Politisch Motivierten Kriminalität (PMK) im Jahr 2022 gezählt wurden. Die Antwort: neun versuchte Tötungsdelikte. Eines der neun Delikte: Bobstadt. Auf die Nachfrage, ob die Delikte einen linken, rechten oder religiösen Hintergrund haben, schreibt die Bundesregierung, die Tat sei “nicht zuzuordnen”.
via zeit: Prozess gegen Ingo K. : Angeklagter Reichsbürger tummelte sich auf Nazidemos