Rechtsradikale machen Millionen mit Drogen, Waffen und Prostitution. Doch Ermittler ignorieren oft die Verbindungen zwischen kriminellem Milieu und Rechtsextremisten. Rechtsextreme vernetzen sich über Grenzen hinweg miteinander, aber auch mit klassischen kriminellen Gruppen. Solche transnationalen Netzwerke hat das Counter Extremism Project, ein in Deutschland und den USA arbeitender Thinktank, im Auftrag des Auswärtigen Amtes untersucht. Der Politikwissenschaftler Alexaner Ritzmann ist Mitautor dieser Studie. Christian W. sitzt entspannt in einem Gartenstuhl im Grünen, in der Hand ein Glas Bier. Auf seinen muskulösen Oberkörper sind die Schriftzüge der Hooligantruppe Alte Garde Essen, des Bikerclubs Bandidos MC und des Kampfsportvereins Guerreros Fightclub tätowiert. So kann man es auf einem Foto auf Instagram sehen. Christian W. soll einer der führenden Köpfe der Steeler Jungs aus Essen sein, einer selbsternannten rechtsextremen “Bürgerwehr”. Im Juli 2021 hat die Bundesregierung die Bandidos MC Federation West Central aufgrund von Gewaltverbrechen sowie dem Besitz und Verkauf illegaler Waffen und Drogen verboten. Als die nordrhein-westfälischen Strafverfolgungsbehörden dann im Januar 2022 eine Reihe von Razzien in den Räumlichkeiten der Bandidos Essen Ost durchführten, die trotz Verbot weiter aktiv waren, fand die Polizei mehrere Kilogramm illegaler Drogen, 50.000 Euro in bar, eine Cannabisplantage, illegale Schusswaffen und eine Waffenwerkstatt. Christian W. ist – oder war bis vor Kurzem – der Präsident der Bandidos Essen Ost. Die Steeler Jungs und die Bandidos Essen Ost sollen sich eine Liegenschaft geteilt haben, in der ein Video der rechtsextremen Hooliganband Kategorie C gedreht wurde. Und in der Sportsbar 300 ist im November 2019 der mehrfach vorbestrafte rechtsextreme Musiker Michael Regener, genannt Lunikow, aufgetreten. Die Bar soll Christian W. gehören. Drogenhandel statt Nazinetzwerke Handelt es sich hier möglicherweise um ein transnationales, rechtsextrem motiviertes und militantes Netzwerk der Organisierten Kriminalität? Bei den Ermittlern weiß man das in diesem und anderen Fällen nicht immer so genau. Denn hier ermittelt in der Regel nicht der Staatsschutz mit seinem Bereich für Rechtsextremismus, sondern Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaften, die zuständig sind für Organisierte Kriminalität. Die Ermittler decken die transnationalen rechtsextremen Netzwerke in der Regel nicht auf. Denn statt des Rechtsextremismus steht die finanziell motivierte Straftat im Vordergrund. Drogenhandel statt Nazinetzwerke. So werden rechtsextreme Drogen- und Waffenhändler im Strafrechtsverfahren häufig entpolitisiert. Im Jahr 2019 wurden drei Rechtsextreme im Alter von 25, 31 und 35 Jahren zu Haftstrafen verurteilt, weil sie von 2015 bis 2017 im Darknet mit mehreren Kilogramm illegaler Drogen wie Amphetamin und Ecstasy gehandelt hatten. Ein Täter war Mitglied der rechtsextremen Identitären Bewegung. Der 31-jährige Anführer war bei der Kameradschaft Aachener Land/Syndikat 52 und zugleich Leiter des Ortsverbands der rechtsextremen Mikropartei Die Rechte in Aachen. Außerdem soll er eine der wichtigsten transnationalen rechtsextremen Organisationen in Deutschland, die Bruderschaft Thüringen, mit illegalen Drogen versorgt haben. Die Einnahmen aus den Drogengeschäften wurden vor Gericht auf 260.000 Euro geschätzt. Aufgrund des bescheidenen Lebensstils der Täter und weil nur sehr wenig Geld beschlagnahmt worden war, vermutete die Richterin, dass die illegalen Gewinne aus dem Drogengeschäft zur Unterstützung ihrer extremistischen Aktivitäten verwendet worden sein könnten.
via zeit: Die Neonazimafia