Milagros Miceli erforscht, was Tech-Unternehmen gerne unter den Teppich kehren: Wie Arbeiter:innen hinter den Kulissen von ChatGPT & Co. schuften, und das für eine Handvoll Dollar. Im Interview erklärt die Forscherin, wie viel menschliche Arbeit hinter der angeblich „künstlichen“ Intelligenz steckt. Starten wir mit etwas Erfreulichem: Diese Zeilen hier wurden nicht mit ChatGPT geschrieben, ausnahmsweise, muss man in diesen Tagen fast sagen. Es ist fast unmöglich, der Anwendung des US-amerikanischen Start-ups OpenAI noch zu entkommen, jenem Chatbot, der auf Befehl ausgefeilte Texte ausspuckt. Mehr noch: Der Hype um generative KI ist in den vergangenen Wochen auf einem neuen Höhepunkt angekommen. Solche Anwendungen erschaffen nicht nur neue Texte, sondern auch Bilder und Code – in einer Qualität, die man vor kurzer Zeit nur Menschen zugetraut hätte. Doch während die Öffentlichkeit debattiert, wann Künstliche Intelligenz etwa Journalist:innen, Anwält:innen oder Illustrator:innen überflüssig macht, können Wissenschaftler:innen wie Milagros Miceli darüber nur den Kopf schütteln. Miceli leitet ein Team am Berliner Weizenbaum-Institut und forscht seit Jahren zur Arbeit hinter KI-Systemen, unter anderem zur Datenannotation. So nennt man es, wenn Menschen Datensätze sichten, sortieren und mit Etiketten versehen, damit Maschinen sie verstehen. Bevor zum Beispiel eine Bilderkennung das Foto einer Katze erkennen kann, müssen Menschen reihenweise Bilder mit Katzen kennzeichnen. Mit solchen Datensätzen lassen sich dann KI-Systeme trainieren.
Wegen Kriegsverbrechen will der Internationale Strafgerichtshof Kremlchef Putin vor Gericht bringen. Was sind die Hintergründe des nun erlassenen Haftbefehls – und was kann dieser bringen? Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hat zwei Haftbefehle erlassen – gegen Präsident Wladimir Putin und die russische Beauftragte für Kinderrechte, Maria Lwowa-Belova. Der juristische Vorwurf lautet “Kriegsverbrechen”. Konkret geht es um die Verschleppung von Kindern aus der Ukraine nach Russland, die spätestens ab Februar 2022 stattgefunden haben sollen. Es gebe hinreichende Gründe dafür, dass Putin selbst dafür strafrechtlich verantwortlich sei, so das Gericht. Im Mai hatte der russische Präsident ein Dekret unterschrieben, um ukrainische Kinder schneller in Russland einbürgern zu können. Putin habe laut Haftbefehl darüber hinaus auch nicht auf seine zivilen und militärischen Untergebenen eingewirkt, um sie von den Kriegsverbrechen abzuhalten.Der Gerichtshof hat die Haftbefehle veröffentlicht, auch weil die Verbrechen noch andauerten und die Veröffentlichung dazu beitragen könne, weitere Straftaten zu verhindern. Den genauen Inhalt der Haftbefehle hat man aber nicht öffentlich gemacht, um die Opfer zu schützen. Der Chefankläger des Gerichtshofs, Karim Khan, hatte bei einem Besuch in der Ukraine Anfang März bereits das Augenmerk auf die Deportation ukrainischer Kinder gelegt.
Kreis Viersen. Die FDP-Kreistagsmitglieder Eric Scheuerle und Jörg Boves beantragen, dass zum nächstmöglichen Zeitpunkt die Zahlung der monatlichen Aufwandsentschädigungen an das Kreistagsmitglied Kay Gottschalk (AfD) ausgesetzt werden sollen. Der Bundestagsabgeordnete Kay Gottschalk (AfD) ist seit der letzten Kommunalwahl 2020 Mitglied des Kreistags. Seit seiner Wahl hat er an keiner einzigen Kreistagssitzung teilgenommen. Besonders bemerkenswert: Nach der Kommunalwahl hatte die AfD sogar noch einen Platz in der 1. Reihe im Kreistag eingefordert.[1] Damit ist Herr Gottschalk nach über zwei Jahren seiner Amtszeit nicht einmal vereidigt worden. Mitglieder des Kreistags erhalten eine monatliche Aufwandsentschädigung von 485 Euro. Eric Scheuerle kommentiert dazu: „Wer sich in ein Parlament wählen lässt, sollte sich seiner demokratischen Verantwortung bewusst sein und nicht mit Abwesenheit glänzen.“ Nach Berechnungen der FDP-Kreistagsmitglieder müsste Herr Gottschalk auf diesem Wege bereits über 13.000 Euro Steuergeld als Aufwandsentschädigung erhalten haben. Bemerkenswert findet Scheuerle: „Herr Gottschalk fordert ‚Steuerverschwendende Politiker müssen vor Gericht!“ und ‚Steuergeldverschwendung strafbar machen‘, wie passt das zu seinem eigenen Handeln im politischen Ehrenamt?
Wieder prüft eine Staatsanwaltschaft queerfeindliche Mordaufrufe von Anselm Urban. Und auch aus der Politik kommen erste Reaktionen auf die Neugründung des Sektenablegers in Pforzheim. Die queer.de-Berichterstattung über den Görlitzer Fundi Anselm Urban und die Baptistenkirche Zuverlässiges Wort in Pforzheim hat zu Reaktionen aus Medien, Politik und Kirche geführt. Vergangene Woche berichteten wir über den vom Görlitzer Fundi Anselm Urban aus dem US-Exil gestarteten Ableger der Faithful Word Baptist Church. Die evangelische Dekanin von Pforzheim erstattete Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Katja Mast nannte die Äußerungen von Anselm Urban “entsetzlich”. Und auch der Antisemitismusbeauftragte des Landes ist wegen der antisemitischen Ausrichtung der US-Muttersekte informiert worden. Dekanin stellt Strafanzeige Anselm Urban hatte in der Vergangenheit immer wieder die Ermordung von queeren Menschen gefordert – erst durch einen im Internet verbreiteten Hetzfilm, dann in einer im Netz übertragenen Hetzpredigt auf einer Fundi-Veranstaltung in Pforzheim (queer.de berichtete). Beim Eröffnungsgottesdienst der Baptistenkirche am 5. März in Pforzheim erneuerte er via Internet zugeschaltet seine Hetze trotz eines inzwischen rechtskräftig gewordenen Strafbefehls wegen Beleidigung, Volksverhetzung und Aufforderung zu Straftaten: Queere Menschen seien “wandelnder Müll der Gesellschaft”, “schmutzige Tiere” und “Hunde”, “pädophil” und Vergewaltiger*innen. Sie müssten umgebracht werden – auch zur Bekämpfung von HIV. (…) Der Anfang März rechtsgültig gewordene Strafbefehl gegen Urban soll laut Pforzheimer Zeitung inzwischen bezahlt worden sein. Neben der Festsetzung auf 85 Tagessätze – und damit unterhalb der Schwelle, ab der jemand als vorbestraft gilt – musste Urban bloß 1020 Euro bezahlen. Geld, das am Ende vermutlich aus der Gruppenkasse kommt. Im Frühjahr vergangenen Jahres hatte sich Anselm Urban nach Eröffnung des durch die Berichterstattung von queer.de und Anzeigen von queer.de-User*innen losgetretenen Strafverfahrens in die Vereinigten Staaten abgesetzt (queer.de berichtete). Zuvor hatte am 16. März eine Hausdurchsuchung bei Urban im sächsischen Görlitz stattgefunden, bei denen Datenträger mitgenommen worden waren. Diese Hausdurchsuchung stellte Urban später in einem im Netz veröffentlichten Video nach (queer.de berichtete).
Ein TikTok-Filter lasse sie aussehen “wie ne Transe”, beschwerte sich die Karlsruher Fitness-Influencerin Pamela Reif in einem Post. Nach heftiger Kritik bedauerte die 26-Jährige nun ihre “dumme Wortwahl”. Die Karlsruher Fitness-Influencerin Pamela Reif hat sich bei Millionen Followerinnen in sozialen Netzwerken für eine transfeindliche Aussage entschuldigt. Die 26-Jährige hatte bei TikTok und Instagram ein Video mit dem neuen TikTok-Filter “Bold Glamour” gepostet, der sie nach eigenen Worten wie eine “Transe” habe aussehen lassen. “Es tut mir einfach so leid. Und das, was ich gestern gesagt habe, das war so falsch und so dumm”, erklärte sie. Bei Instagram und auf YouTube hat Reif jeweils über neun Millionen Followerinnen, bei TikTok mehr als 900.000.
Ein Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma soll den Stadtschülersprecher in Braunschweig nach dessen Aussagen rassistisch beleidigt haben. Beide Seiten beharren gegenüber der Stadt auf ihren Standpunkten. Die Verwaltung gibt sich nach einer Woche bei ihren Aufklärungsversuchen geschlagen. “Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass uns zwei sich widersprechenden Aussagen vorliegen”, sagte der kommissarische Schuldezernent Tobias Pollmann laut Mitteilung der Stadt von Freitag. Pollmann und Braunschweigs Hochbaudezernent Holger Herlitschke hatten demnach sowohl mit dem Geschäftsführer der Sicherheitsfirma als auch mit Atakan Koçtürk, dem Sprecher des Stadtschülerrats, gesprochen. Die Stadtverwaltung sehe sich außerstande, den Vorfall vom vergangenen Sonntag aufzuklären, heißt es in dem Schreiben. (…) Unstrittig ist, dass der Sicherheitsmitarbeiter Koçtürk am Sonntag in einem städtischen Gebäude antraf und die Polizei informierte. Bei dem Aufeinandertreffen soll es zu dem rassistischen Übergriff gekommen sein. Inzwischen hat die Stadt Koçtürk und anderen Ehrenamtlichen aus dem Schulbetrieb einen Transponder für das Gebäude und einen schriftlichen Nachweis über dessen Tätigkeit als Schülervertreter ausgehändigt.
Nach der Tötung einer 12-Jährigen durch Gleichaltrige werden wieder Forderungen laut, das Strafmündigkeitsalter zu senken. Thomas Fischer erinnert daran, dass der Strafgedanke der “Vergeltung” gegenüber Kindern unangemessen und verboten ist. Empörung Am Mittwoch, 15. März, hatten 38.000 Personen eine Online-Petition mit dem Titel “Verurteilt Luises Mörderinnen! Ändert das Alter der Strafmündigkeit in Deutschland!” unterschrieben. Inzwischen sind es vermutlich mehr. Die Petition bezieht sich auf den berichteten Fall der vorsätzlichen Tötung eines 12-jährigen Mädchens im Siegerland; zwei 12- und 13-jährige Mädchen sollen die Täterinnen sein. Als erstes muss man hier anmerken, dass der Titel der genannten Petition offenkundiger Unsinn schon deshalb ist, weil eine rückwirkende Strafbarkeit durch ein Gesetz nicht begründet werden kann. Nach Art. 103 Abs. 2 des Grundgesetztes ist nur ein solches Verhalten strafbar, dass “zur Zeit der Tat” materiellrechtlich mit Strafe bedroht war. § 19 Strafgesetzbuch (StGB), lautet: “Schuldunfähig ist, wer bei Begehung der Tat noch nicht vierzehn Jahre alt ist.” Da eine Bestrafung “Schuld”, also persönliche Verantwortung voraussetzt und Schuld nicht ohne Schuldfähigkeit bestehen kann (vergleiche § 20 StGB), scheidet eine Bestrafung (“Verurteilung”) strafunmündiger Personen aus. Dass die Petenten, im Gefolge einer unübersehbaren Zahl von “Social Media”-Schreibern, die mutmaßlichen Täterinnen als “Mörderinnen” bezeichnen, die Tat rechtswidrige Tat als “Mord” (§ 211 StGB) werten, ohne irgendwelche Kenntnisse über den Tathergang und das Vorliegen möglicher Mordmerkmale (§ 211 Abs. 2 StGB) zu haben, passt ins Bild einer hysterisch aufgeregten Empörungswelle, die auf das Geschehen wieder einmal mit den bekannten und eingeübten Reflexen reagiert. (…) Die heutige Grenze von 14 Jahren galt in Deutschland seit 1923 (Inkrafttreten des Jugendgerichtsgesetzes – JGG); vorher galt seit 1871 eine Grenze von 12 Jahren. Entsprechend weiterer Entwicklungsstufen wurden Jugendliche (14 bis 17 Jahre) regelmäßig dem Jugendstrafrecht unterstellt, Heranwachsende (18 bis 21 Jahre) je nach dem Einzelfall dem Jugend- oder Erwachsenenrecht. Während der NS-Zeit wurden zunächst die letztgenannten Grenzen nach unten verschoben. Ab 1943 konnte schon ab dem Alter von 14 Jahren Erwachsenenstrafrecht angewendet werden, und nach § 3 des Reichsjugendgerichtsgesetzes November 1943 sollten auch 12- und 13-jährige schuldfähig sein, “wenn der Schutz des Volkes wegen der Schwere der Verfehlung eine strafrechtliche Ahndung fordert.” Diese Regelungen wurden aufgehoben und 1952 in der DDR und 1953 in der Bundesrepublik die Grenze wieder auf 14 Jahre festgesetzt. (…) Jugendliche (14- bis 17-Jährige) können für ein Verbrechen des Totschlags mit einer Jugendstrafe bis zu zehn Jahren bestraft werden (§ 18 Abs. 1 Satz 2 Jugendgerichtsgesetz (JGG)). Der Sinn und die Aufgabe von “Strafe” im Allgemeinen ist es nach allgemeiner Ansicht, das Unrecht und die Schuld der Tat zu “sühnen” (Übelszufügung als Reaktion; Genugtuung für Opfer), andere von ähnlichen Taten abzuschrecken, den einzelnen Täter zu “bessern” und von weiteren Taten abzuhalten sowie der ganzen Gesellschaft das Gefühl von Verlässlichkeit der Regeln zu vermitteln. Bei Jugendlichen steht aber nach gesetzlicher Vorschrift das Abhalten von erneuten Straftaten sowie die erzieherische Einwirkung ganz im Vordergrund (§ 2 Abs. 2, § 18 Abs. JGG). Vergeltung, Abschreckung der Allgemeinheit und Normbestärkung spielen keine Rolle, erst recht nicht die einst beigezogene “Volksmeinung” (siehe oben). Forderungen, Kinder wegen Straftaten zu verurteilen und die bestehende Strafmündigkeitsgrenze aufzuheben oder zu senken, zielen in aller Regel auf den Gesichtspunkt der “Sühne” sowie die Genugtuungsfunktion von Bestrafungen ab, also auf Gesichtspunkte, die schon bei Jugendlichen nach dem Gesetz keine Rolle spielen. Sie stellen überdies häufig auf die Annahme oder Behauptung ab, Straftaten von unmündigen Kindern seien “folgenlos”. Das trifft natürlich nicht zu. Für abweichendes, regelverletzendes und schädigendes Verhalten von Kindern sind nicht die Justizbehörden, sondern die Jugendämter zuständig. Sie haben eine breite Palette von Möglichkeiten der Einwirkung bis hin zur dauerhaften Unterbringung in einem Erziehungsheim. Es gibt keine festen Sanktions- oder Einwirkungsregeln, weil jeder Einzelfall hochindividuell ist und von vielen Faktoren beeinflusst wird.