Twitter muss laut einem Urteil nicht nur beanstandete Tweets löschen, sondern auch solche mit “kerngleichen” Inhalten. Ansonsten drohen hohe Geld- oder sogar Haftstrafen. Der Umgang von Twitter mit illegalen Inhalten ist nach Einschätzung des Frankfurter Landgerichts zu lax. Der Kurznachrichtendienst müsse nicht nur beanstandete Tweets dauerhaft entfernen, sondern auch solche mit “kerngleichen” Inhalten, urteilte das Gericht. Gleiches gelte für illegale Inhalte, die binnen 24 Stunden mehr als zehnmal weiterverbreitet werden. Bei schuldhafter Zuwiderhandlung droht laut dem Gericht ein Ordnungsgeld von 250.000 Euro je Fall. Außerdem könne gegen Manager Ordnungshaft angeordnet werden. Die Social-Media-Plattform kann gegen die Entscheidung noch in Berufung gehen. Wird ein Tweet künftig als illegal eingestuft und entfernt, muss Twitter dem Gericht zufolge eigenständig prüfen, ob weitere Tweets mit gleichen Aussagen auf der Plattform existieren. Diese müssten dann ebenfalls gelöscht werden. Eine allgemeine Überwachungspflicht für sämtliche Tweets sei damit aber nicht verbunden. (…) Bei dem Verfahren handelt es sich laut Blumes Anwalt Chan-jo Jun um eine Musterklage. Finanziert wird das Verfahren von HateAid, einer gemeinnützigen Organisation, die Opfer digitaler Gewalt im Netz unterstützt.
via zeit: Landgericht Frankfurt : Twitter muss stärker gegen illegale Inhalte vorgehen
siehe auch: Was das Urteil gegen Twitter bedeutet. Baden-Württembergs Antisemitismusbeauftragter hat vor Gericht gegen Twitter gesiegt. Trotz seiner Beschwerde hat das Unternehmen ehrverletzende Tweets zunächst nicht gelöscht. (…) In diversen Tweets wurde Blume damals massiv persönlich angegangen. So wurde etwa behauptet, Blume, der selbst ja Ansprechpartner für die Belange jüdischer Gruppen in Baden-Württemberg ist, sei “Teil eines antisemitischen Packs”. Ebenso hieß es, er habe “einen Seitensprung gemacht” und zudem “eine Nähe zur Pädophilie”. “Das war eine bewusste Kampagne gegen mich”, sagt Blume heute. Der Twitter-Account, der diese Aussagen verbreitet hat, ist inzwischen aus anderen Gründen gesperrt. Und damit auch die von ihm verfassten Tweets. Blume will juristisch dafür sorgen, dass die Tweets dauerhaft verschwinden, selbst wenn der Account wieder freigegeben werden sollte. Auch weitere Tweets anderer Nutzer, die “kerngleich”, also im Wesentlichen identischen Inhalts sind, solle Twitter künftig sperren.Bei dem Kampf gegen den Internetriesen wird der Religions- und Politikwissenschaftler Blume von der Organisation “Hateaid” finanziell unterstützt und vom Rechtsanwalt Chan-jo Jun vertreten. Das erklärte Ziel aller: Twitter klare Regeln aufzugeben, um das Sperren von verleumderischen oder beleidigenden Inhalten effektiv umzusetzen. (…) Nachdem Blume diese Kommentare gemeldet hatte, hätte Twitter darum reagieren müssen. Konkret bedeutet das: Die ehrverletzenden Äußerungen hätten ab dann nicht weiter verbreitet werden dürfen.Das Gericht geht aber noch weiter: Auch “kerngleiche Äußerungen” dürfe der Kurznachrichtendienst nicht weiter verbreiten. Das betreffe Kommentare, die als gleichwertig anzusehen sind und “trotz gewisser Abweichungen einen identischen Äußerungskern aufweisen”. Das Argument, damit würde Twitter verpflichtet, sämtliche Tweets seiner Nutzer und Nutzerinnen zu überprüfen, verfing nicht. Geprüft werden müsse nur dann, wenn eine Persönlichkeitsrechtsverletzung konkret beanstandet werde. Das sei zumutbar.