Die Rechte in den USA – aber auch andernorts – hat ein neues Angriffsziel entdeckt: trans Menschen. Was bedeutet es konkret, rechtlich und politisch, wenn die Religiöse Rechte ihre transfeindlichen Ressentiments umsetzen kann? (…) Immer wieder hetzen rechte Medi­en­stars wie Tucker Carlson, aber auch Repu­bli­ka­ni­sche Politikerinnen und rechte Troll-Accounts wie „Libs of TikTok“ ihre Anhän­ger­schaft auf einzelne Ärztinnen, die gender affir­ming Gesund­heits­ver­sor­gung für trans Kinder, Jugend­liche und Erwach­sene anbieten. Trans­feind­lich­keit ist zu einem der bestim­menden Themen der US-amerikanischen Rechten geworden. In den USA verab­schieden Repu­bli­ka­ni­sche Bundes­staaten gerade immer extre­mere trans­feind­liche Gesetze. „Toiletten-Gesetze“ Noch vor zehn Jahren sprach die US-amerikanische Rechte nicht über Trans­ge­schlecht­lich­keit, sondern wetterte gegen Homo­se­xua­lität. Doch mit der Einfüh­rung der gleich­ge­schlecht­li­chen Ehe, die in der Bevöl­ke­rung Zustim­mung auf einem Rekord­ni­veau findet, hat die Reli­giöse und Poli­ti­sche Rechte entschieden, sich einer anderen margi­na­li­sierten Gruppe zuzu­wenden: trans Menschen. Das bedeutet nicht, dass die Rechte ihre Ansichten zu Gay Rights geän­dert hätte – keines­wegs. Man ist jedoch prag­ma­tisch genug, um auf ein anderes Pferd zu setzen, wenn das aktu­elle aussichtslos erscheint. Tatsäch­lich eignen sich trans Menschen perfider Weise viel besser als Sünden­bock als Homo­se­xu­elle: Die Gruppe ist viel kleiner – sprich, viel weniger Menschen haben trans Menschen in ihrem persön­li­chen Umfeld – und das Unwissen zu trans Rights in der Bevöl­ke­rung ist viel höher. Die US-amerikanische Rechte hatte schon einmal versucht, mit Trans­feind­lich­keit zu punkten. Damals ging es um soge­nannte „Bathroom-Bills“ – „Toiletten-Gesetze“ also, die trans Menschen z.B. den Zugang zu Schul­toi­letten, die ihrer Geschlechts­iden­tität entspre­chen, verbieten sollten. (…) Doch jetzt hat die Rechte zwei Narra­tive gefunden, die zu zünden scheinen – und zwar nicht nur bei den eigenen Anhän­gern, sondern auch in Milieus, die sie sonst schwer erreicht: in libe­ralen, femi­nis­tisch orien­tierten Teilen der Gesell­schaft und in der „bürger­li­chen Mitte“. Im ersten Narrativ betont sie, dass es ledig­lich um „Fair­ness“ im Mädchen­sport gehe. Wenn es trans Mädchen und jungen Frauen erlaubt werde, am Schul- oder Colle­ge­sport teil­zu­nehmen, würden cis Mädchen und Frauen keinerlei Chance mehr haben. Abge­sehen davon, wie unglaub­würdig es ist, dass die Rechte plötz­lich ihre Begeis­te­rung für den Mädchen- und Frau­en­sport entdeckt hat, zeigt die Präsenz von trans Menschen im Sport, dass es sinn­voll sein könnte, ganz ohne moral panic darüber nach­zu­denken, ob die binäre Geschlech­ter­tren­nung nicht durch andere Krite­rien wie Gewichts­klassen ergänzt oder ersetzt werden müsste. Das zweite Narrativ, das von rechts gesponnen wird, ist das vom „Schutz der Kinder“. Es gehe nicht um Trans­feind­lich­keit, behaupten ihre Vertreterinnen, sondern darum, unschul­dige und wehr­lose Kinder zu schützen. Damit verbunden ist die Lüge von Trans­ge­schlecht­lich­keit als „sozialer Anste­ckung“. Es ist ein Echo der alten Mär, dass Homo­se­xua­lität „anste­ckend“ und dementspre­chend „heilbar“ sei. Trans­ge­schlecht­liche und homo­se­xu­elle Menschen, so die Rechte, könnten sich nicht selbst fort­pflanzen, deshalb müssten sie Kinder in ihren „Gender-Kult“ oder ihre „trans-Ideologie“ rekru­tieren. Alles, was auch nur annä­hernd mit LGBTQ-Themen zu tun hat, wird als sexuell dege­ne­riert darge­stellt und mit Pädo­philie asso­zi­iert. So hat sich im letzten halben Jahr im US-amerikanischen poli­ti­schen Diskurs die Bezeich­nung „Groomer” für LGBTQ-Menschen etabliert, gemeint sind Erwach­sene, die Kinder mani­pu­lieren, um ihnen gegen­über sexuell über­griffig zu werden. Diese Verleum­dung ist nicht auf die siffigsten rechten Ecken des Inter­nets beschränkt, sondern wird von führenden Republikanerinnen, wie zum Beispiel von der Nummer drei im Reprä­sen­tan­ten­haus, Elise Stefanik, verbreitet. Es ist eine perfide Taktik, LGBTQ-Menschen in die Nähe von Pädo­philen zu rücken oder sie gar mit ihnen gleich­zu­setzen. Es ist eine Taktik, die als soge­nannter „stochas­ti­scher“ Terro­rismus bezeichnet wird. Stochas­ti­scher Terro­rismus erklärt das Phänomen von gewalt-induzierender Rhetorik durch bekannte Persön­lich­keiten aus Medien und Politik, die die Ziel­gruppe immer weiter radi­ka­li­siert, bis Einzelne – aufge­hetzt von der Stim­mungs­mache gegen eine margi­na­li­sierte Gruppe – zur Gewalttat schreiten.

via geschichtedergegenwart: Trans­feind­lich­keit: Radikalisierungs-Pipeline der ameri­ka­ni­schen Rechten

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Categories: Rechtsextremismus