Beratungsstellen fürchten eine neue Welle rechtsextremer Gewalt, vor allem in Ostdeutschland. Sie fordern echte Veränderungen bei Polizei und Justiz. Kristian Fink hat selbst erfahren, wie schnell man Opfer rechter Gewalt werden kann. Der Jugendgewerkschaftssekretär von Verdi nahm Mitte Oktober an einem Protest gegen einen rechten Aufmarsch in Leipzig teil, als plötzlich aus diesem ein Böller geworfen wurde. „Einen Moment waren alle abgelenkt“, sagt Fink. Diesen Moment habe ein Teilnehmer der Demo genutzt, um an der Polizei vorbei in den Gegenprotest zu kommen und ihm „einen Tritt in die Weichteile“ zu verpassen. Fink ging zu Boden, wurde später im Krankenhaus behandelt, konnte am Abend mit Schmerzmitteln ausgestattet nach Hause gehen. Später habe er auf einem Video gesehen, wie der Angreifer „ganz entspannt“ in der Demo untertauchen konnte. „Die Polizei hat absolut nicht agiert.“ Inzwischen hat Fink Anzeige gegen den Angreifer erstattet. Am Donnerstag hat Fink in einer Pressekonferenz gemeinsam mit verschiedenen Opferberatungsstellen vor einer Eskalation rechter Gewalt in Ostdeutschland gewarnt. Man befürchte eine weitere Zuspitzung rassistischer und rechtsextremer Mobilisierungen und Gewalt wie in den Jahren 2015/2016 – als täglich mindestens vier bis fünf Menschen in Ostdeutschland und Berlin Opfer rechter Angriffe geworden seien. „Die Täter der rassistischen Brandanschläge der letzten Wochen haben den Tod von Menschen bewusst in Kauf genommen“, warnte Robert Kusche, Geschäftsführer des RAA Sachsen. „Es braucht jetzt endlich einen glaubhaften Paradigmenwechsel bei Polizei und Justiz in Ostdeutschland in der Strafverfolgung bei rechten Gewalttaten und bei Maßnahmen gegen rechte Aufmärsche.“ Noch immer sei die Gefahr, Opfer eines rassistisch, antisemitisch oder rechtsextrem motivierten Angriffs zu werden, in Ostdeutschland drei Mal so groß wie in den westdeutschen Flächenländern. Örtliche Behörden scheinen hilflos oder blind „Rechte Gewalt und Rechtsterrorismus sind ein gesamtdeutsches Problem“, sagte Franz Zobel, Projektleiter der Opferberatung ezra in Thüringen. Aber Ostdeutschland sei weiterhin der Resonanzboden und Ausgangspunkt für neue rechtsterroristische Netzwerke und Täter*innen. Dazu trage eine „schockierend niedrige Aufklärungsquote“ von lediglich 15 Prozent bei von Polizei und Justiz als rechtsmotiviert erfassten Brandanschlägen ebenso bei wie überlange Verfahrensdauern von bis zu acht Jahren.

via taz: Opferberatungsstellen besorgt :Eskalation rechter Gewalt droht

a photo of a police car
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