In Italien und Schweden zeigt sich das destruktive Verhältnis von Kapitalismus und Demokratie seit der Finanzkrise. Es gewinnt, wer von ökonomischer Ungleichheit ablenkt. Der Faschismus regiert bald wieder in Westeuropa. 100 Jahre nach dem Marsch auf Rom von Benito Mussolini hat Giorgia Meloni die Wahl in Italien gewonnen – mit demselben Dreiklang wie damals der Duce, der Führer noch vor Hitler: Dio, Patria, Famiglia; Gott, Vaterland, Familie. Und einem Update der alten Feindbilder, jener anderen, gegen die ein “Wir” sich machtvoll verteidigen muss: Meloni wettert gegen Einwanderer und die “LGBTQ-Lobby”, sie will weniger Parlament, weniger Europa, weniger Solidarität, keine Abtreibungen, dafür mehr Glauben, mehr “Identität”, sie ist gegen Freiheit und individuelle Selbstbestimmung und damit letztlich gegen die Demokratie und ihre Werte. Diese Wahl ist einschneidend für Europa, weil sie womöglich die EU destabilisiert – und weil Italien historisch Vorläufer für wesentliche politische Entwicklungen auf dem Kontinent war: Der Urfaschismus, wie Umberto Eco es nannte, war hier früher etabliert als in Deutschland; die Sozialdemokraten verabschiedeten sich schon früher von ihren Prinzipien und wurden in den Achtzigerjahren marktliberal, zehn Jahre vor Blair, Schröder, Clinton; der Zusammenbruch des Konservatismus war hier krachender; und Berlusconi entwickelte schon 1994 seine autoritär-egomane Kleptokratie, lange vor Trump. Er nahm damals schon die Rechtsextremen mit in seine Koalition und normalisierte extremes Denken. Diese Wahl ist aber auch deshalb einschneidend, weil es innerhalb kurzer Zeit die zweite landesweite Abstimmung ist, bei der die Rechtsextremen oder Faschisten deutlich zulegten oder gewonnen haben: Erst vor zwei Wochen kamen in Schweden die Schwedendemokraten, in den Achtzigerjahren von ehemaligen Mitgliedern der Waffen-SS und Skinheads gegründet, bei den Parlamentswahlen auf 20 Prozent. Sie bestimmen effektiv die kommende Regierung und sehr viel länger schon den öffentlichen Diskurs in diesem Land, das sich so gern als offen, modern, fortschrittlich und vorbildlich sieht. Zusammengenommen zeigen die Beispiele Italien und Schweden, was die Ursachen der Rechtsverschiebung sind. Und dass sie vor allem ökonomisch sind.
via zeit: Rechtsruck in Italien und Schweden : Der Boomer-Faschismus