Ein mutmaßlicher “Reichsbürger” hält Coburg über Monate in Atem. Dann brennt plötzlich der Dienstwagen des Oberbürgermeisters. Ein exemplarischer Fall. Als Oberbürgermeister hat Dominik Sauerteig, 36, ein dickes Fell, ohne das ist so ein Job ja gar nicht mehr zu bewältigen. Und natürlich zeigt man Menschen, auch chronisch querulatorische, nicht gerne an als Rathauschef – eine gewisse Robustheit gehört eben dazu. Bei einem heute 55-Jährigen aber stieß Coburgs OB dann doch an eine Grenze. Die persönlichen “Drohungen und Beschimpfungen” wurden ihm einfach zu viel, Strafantrag also. Zudem wurde ein Hausverbot gegen diesen, nun ja, sehr speziellen Rathauskunden ausgesprochen. (…) im August brannten im Rathaushof der elektrisch betriebene Dienstwagen des OB sowie ein weiteres Auto der Stadt aus. Das mit dem gerade noch verhinderten Inferno sei trotzdem nicht einfach “so dahingesagt”, bekräftigt ein Stadtsprecher. Als die Feuerwehr eintraf, waren die Flammen schon in die Gebäudedämmung eingedrungen. Der Hinterhof hat ein Tor, ansonsten ist er nur nach oben offen, der Kamineffekt hätte den ganzen Block in Brand setzen können. Seither sind viele in Sorge. Man merke plötzlich, sagt jemand aus dem Rathaus, dass man selbst “zur Zielscheibe werden” könne. OB Sauerteig formuliert das ähnlich. Viele fragten sich jetzt: “Was passiert als nächstes?” Festgenommen wurde noch in der Nacht der besagte 55-Jährige, der Mann mit dem Rathausverbot. Bei ihm wurden diverse Utensilien gefunden, die darauf hindeuten, dass er den Brand gelegt hat. Ein Verdacht bislang. Die Polizei nennt den Mann “amtsbekannt”, im Rathaus macht noch am Vormittag die Runde, um wen es sich da handeln soll: um jenen, dem vorgeworfen wird, ein halbes Jahr zuvor eine Bombenattrappe am Rathaus angebracht und damit die gesamte Innenstadt in Aufruhr versetzt zu haben. Bis Spezialkräfte eintrafen hatte der rausgeputzte Marktplatz von Coburg, Sitz vieler Händler, für Stunden gesperrt werden müssen, an einem Samstagvormittag. Selber Name, selbes Alter wie ein vielfach vorbestrafter “Reichsbürger” Später erwies sich das Sammelsurium an der Tür zum städtischen Bürgerbüro – mit einem Symbol, das an eine Radioaktivitäts-Warnung erinnerte – als harmlos. Der 55-Jährige wurde zwar in Gewahrsam genommen, kam kurz darauf aber auf freien Fuß. Von unterschiedlichen Stellen sei der Fall bewertet worden, erklärte dies ein Polizeisprecher. Man sei zum Ergebnis gekommen, von dem Mann gehe keine Gefahr mehr aus. Seiner Darstellung gemäß sei die Aktion, die eine Marktplatzräumung zur Folge hatte, lediglich “ein großes Missverständnis gewesen”. Eines, das nach hinten losgegangen sei. Wer der Mann ist? Solange der 55-Jährige lediglich im Verdacht steht, sich einer schweren Brandstiftung sowie sechs Monate zuvor der Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten schuldig gemacht zu haben, müssen sich das Landesamt für Verfassungsschutz sowie andere bayerische Sicherheitsbehörden in strikter Zurückhaltung üben. Eines aber wird zumindest nicht dementiert: Der Mann hat den selben Namen und das selbe Alter wie ein vielfach vorbestrafter “Reichsbürger” aus der Region, der sich in der örtlichen Presse einmal als solcher befragen und dabei auch fotografieren ließ. Wer Mitarbeiter des Coburger Rathauses mit jenem Zeitungsbild konfrontiert, bekommt die Auskunft: “Das ist er.” Es deutet folglich sehr viel darauf hin, dass da jemand erneut in Erscheinung getreten ist, für dessen Vorstrafenregister ein Beamter der bayerischen Justiz etwa 15 Minuten an seinem Computer zubringt, um alle einigermaßen relevanten Vorwürfe zusammenzusammeln. Juristen nennen so etwas einen Spaziergang durchs Strafgesetzbuch. Der Beamte liest vor: “Körperverletzung, Sachbeschädigung, Beleidigung, Volksverhetzung, Verleumdung, Hausfriedensbruch, Verwendung von verfassungsfeindlichen Organisationen.” Das freilich sei nicht vollständig, das gesamte Strafaufkommen – Einzel- und Gesamtstrafen – “höchst komplex”. Das meiste davon – und das ist wie so vieles exemplarisch an diesem Fall – liege allerdings im “unteren strafrechtlichen Bereich“: Beleidigung einer Oberbürgermeisterin, Widerstand gegen Beamte, rechtsextremistische Äußerungen, Stinkbomben an öffentlichen Behörden, solche Sachen. Nichts, sagt der Beamte, für das man, wie es so schön heiße, auf Dauer “aus dem Verkehr gezogen” werden könne.

via sz: “Zwischen Wahn und Tatverantwortlichkeit”