In Saarlouis starb 1991 Samuel Kofi Yeboah bei einem Anschlag auf ein Geflüchtetenheim. Warum fehlt die Tat in unserem kollektiven Gedächtnis rechtsextremer Gewalttaten? Splitternde Scheiben, Menschenschreie, das Flackern der Flammen in den Fenstern. Die Aufnahmen der rassistischen Pogrome in Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen kennen viele. Genauso wie die Bilder der rußgeschwärzten Fassaden der Häuser türkischstämmiger Familien in Solingen und Mölln. Rechtsextremistische, rassistische Anschläge, bei denen acht Menschen ums Leben kamen und viele mehr verletzt wurden. Die Angriffe stehen sinnbildlich für das politische Klima der frühen Neunziger: Skinheads, Überfälle auf nicht weiße Menschen, Antiasylpolitik in den Parlamenten. Ein Attentat wird in diesem Zusammenhang fast nie genannt: der Brandanschlag auf ein Geflüchtetenwohnheim in Saarlouis. In den Morgenstunden des 19. September 1991 brach ein Feuer im Treppenhaus eines vierstöckigen ehemaligen Hotels aus, in dem zu dem Zeitpunkt fast 20 Geflüchtete unter anderem aus dem ehemaligen Jugoslawien, Ghana und Nigeria lebten. Der Großteil der Bewohner:innen konnte nach draußen fliehen, nur nicht die drei Männer im obersten Stockwerk. Zwei von ihnen wählten den Weg aus dem Fenster, sprangen meterweit in die Tiefe und verletzten sich an den Beinen. Der Dritte, Samuel Kofi Yeboah aus Ghana, entschied sich für die Flucht über das Treppenhaus – und wurde von den Flammen erfasst. Rettungskräfte brachten Yeboah in eine Klinik, dort starb er wenig später an einer Rauchvergiftung und schweren Verbrennungen. Knapp zwei Wochen zuvor hatte Yeboah seinen 27. Geburtstag gefeiert. (…) Fast 30 Jahre nach dem Tod Yeboahs nahmen Staatsanwaltschaft und Polizei im Jahr 2020 die Ermittlungen wieder auf. Sie hatten einen neuen Hinweis erhalten. Eine Frau hatte sich an die Polizei gewandt: Sie habe auf einer Grillparty mit einem Mann über den Fall gesprochen. Der Mann, laut der Zeugin ein offener Neonazi, habe sich gebrüstet, die Tat damals durchgeführt zu haben. Wegen der Zeugenaussage wird der Fall vom saarländischen Generalstaatsanwalt erstmals als rechtsextremistisch eingestuft und an den Generalbundesanwalt übergeben. Im April 2022 wurde ein Verdächtiger festgenommen, der viele Jahre in der Szene aktive Rechtsextremist Peter Werner S. aus Saarlouis. Er ist seitdem in Untersuchungshaft. Der Verdächtige war zum Zeitpunkt des Anschlags 20 Jahre alt. Genau diesen Peter Werner S. machten antifaschistische Gruppierungen im Saarland, die sich jahrelang für eine Aufklärung des Falles einsetzten, schon kurz nach der Tat als Verdächtigen aus. Er war damals bekannt unter rechtsextremen Jugendlichen, galt als einer ihrer Anführer. Die Polizei vernahm Peter Werner S. sogar kurz nach dem Brand. Er sagte aus, er habe die Tat nicht begangen und wurde laufen gelassen. Aktivist:innen werfen der Polizei vor, sie habe damals fahrlässig gehandelt.
via zett: Rechtsextreme Gewalt : Erinnern ohne Vergangenheit