„Eingriff in die Pressefreiheit“: Vor vier Jahren werden zwei Reporter von Neonazis aus dem Umfeld von Szene-Größe Thorsten Heise angegriffen. Wegen einer angeblichen Beteiligung an einer Plakataktion kommt es bei einem kritischen Journalisten zu einer Hausdurchsuchung – zwei Tage vor dem Urteil im Fretterode-Prozess. Zwei Neonazis gingen bewaffnet mit einem Baseballschläger, einem Messer, einem großen Schraubenschlüssel und Pfefferspray im April 2018 auf zwei Journalisten im Landkreis Eichsfeld los. Ein Angreifer schlug mit einem Schraubenschlüssel auf den Kopf des einen Journalisten. Der erlitt eine blutende Wunde. Der andere Journalist trug eine Stichverletzung am Oberschenkel davon. Ein Gutachten stellt später heraus, dass der Angriff abstrakt lebensgefährlich war. Vier Jahre ist diese Jagdszene und der brutale Überfall nun her. Ein Urteil in dem Prozess wird am Donnerstag, dem 15. September, erwartet. Am Dienstag, zwei Tage vor der erwarteten Urteilsverkündung, führte die Polizei auf Antrag der Staatsanwaltschaft Mühlhausen eine Hausdurchsuchung bei einem Journalisten durch, der den Fall von Beginn an begleitet hatte. Die Einsatzkräfte durchsuchen nicht nur dessen Wohnung, sie beschlagnahmten auch etliche technischen Geräte, die zur Ausübung seiner journalistischen Tätigkeit erforderlich sind, obwohl der Staatsanwaltschaft bewusst ist, dass der hier Beschuldigte Journalist ist. „Der Durchsuchungsbeschluss enthält trotz Kenntnis der journalistischen Tätigkeit keinerlei Abwägung mit dem Recht der freien Presse insbesondere auf investigative Tätigkeit“, kritisiert der Rechtsanwalt Sven Adam das Vorgehen. Wegen der Beschlagnahmung der Arbeitsgeräte seines Mandanten spricht Adam von einem „nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Pressefreiheit“. Die Linke Bundestagsabgeordnete Martina Renner bezeichnete die polizeilichen Maßnahmen unterdessen als „Einschüchterung“: „Investigative journalistische Arbeit im Themenfeld ‚Extreme Rechte‘ scheint einigen ein Dorn im Auge zu sein.“ Was wird dem Journalisten vorgeworfen? Dem Journalisten wird vorgeworfen, im thüringischen Hohengandern in der Nacht auf den 28. April 2021 Plakate mit der Aufschrift „3 Jahre kein Prozess“ und „Tatort Fretterode“ aufgestellt zu haben. Zu sehen waren hier auch die Angeklagten aus dem Fretterode-Prozess. Bei den beiden mutmaßlichen Tätern handelt es sich um Gianluca B. und um Nordulf, Sohn des Neonazi-Kaders Thorsten Heise. Gianluca. B. gilt als politischer Ziehsohn Heises. Thorsten Heise bei einer Demonstration 2019. Der Vorwurf gegen den Journalisten lautet unter anderem, er habe mit dem Aufstellen der Plakate gegen das Kunsturheberrecht verstoßen. Die Plakate zeigen auch die Gesichter und Namen der beiden mutmaßlichen Täter. Wenige Stunden nachdem die Plakate auftauchten, veröffentlichte Thorsten Heise ein Video, in dem er den Aktivist*innen droht. Offenbar war er nicht erfreut darüber, die Gesichter seines Sohnes und Gianlucas im öffentlichen Raum zu sehen. Der NPD-Vater stellte eine Anzeige „gegen unbekannt“. In der Nähe der Plakate wurde damals ein Mobiltelefon mit auf die Plakate gerichteter Kamera gefunden. Dieses wurde dem Journalisten zugeordnet. Sven Adam merkt jedoch an, dass sein Mandant zum Tatzeitpunkt nicht vor Ort war. Obwohl Adam bereits im November 2021 Akteneinsicht zu dem Vorgang beantragte, wurde der Journalist in der Angelegenheit nie von der Staatsanwaltschaft befragt. Wäre er je von der Staatsanwaltschaft befragt worden, hätte er „seine Nichtbeteiligung an der Aufstellung der Plakate beweisen können“, so Adam. Warum wird einer Anzeige von Thorsten Heise aus 2021 zwei Tage vor der Urteilsverkündung in dem Fretterode-Prozess nachgegangen? Nach Adams Dafürhalten handelt es sich schon aufgrund der Pressefreiheit um eine rechtswidrige, allemal aber unverhältnismäßige und unnötige Durchsuchung. Ob die Durchsuchung bei dem Journalisten in einem zeitlichen Zusammenhang zum erwarteten Urteil am Donnerstag steht, ist unklar. Am Mittwochmorgen konnte die Staatsanwaltschaft Mühlhausen dazu gegenüber Belltower.News keine Auskunft geben. Es bleibt nun zu hoffen, dass die Staatsanwaltschaft die beschlagnahmten Geräte unverzüglich wieder herausgibt. Und, dass die Adresse des Journalisten geschützt bleibt. Anzunehmen ist nämlich, dass Heise den Journalisten in der Absicht angezeigt hat, um an seine persönlichen Daten zu gelangen.
via belltower: Tatort-Fretterode HAUSDURCHSUCHUNG BEI KRITISCHEM JOURNALISTEN