In der Waldviertler Heimat seines Vaters ließ der NS-Diktator den größten Truppenübungsplatz des Deutschen Reichs errichten. 7.000 Menschen mussten ihre Häuser verlassen – und kehrten nie zurück. Döllersheim ist ein Ort in Klammern. Wer das kleine Dörfchen auf einer Landkarte sucht, findet es genau so – in Klammern gesetzt. Wer aber auf der L75 vom Ottensteiner Stausee in Richtung Allentsteig daran vorbeifährt, findet inmitten von Wald und Gestrüpp nichts außer Ruinen. Die Kirche ist noch da, abseits der Straße auf einem Hügel, aber die Spitze des Kirchturms fehlt. Von Pfarrhaus, Volksschule und einem kleinen Spital stehen nur mehr die Grundmauern. Am lebendigsten wirkt der Friedhof. Doch an die Toten hier erinnert sich kaum jemand. Vor mehr als achtzig Jahren wurden sie alleingelassen – als Döllersheim aufhörte zu existieren. Denn Döllersheim, das ist das südliche Tor zum Waldviertler Truppenübungsplatz Allentsteig. Seine Geschichte ist untrennbar mit der des Militärgeländes verbunden. Und der Truppenübungsplatz machte Döllersheim selbst zur Geschichte – und zu einer Quelle von Mythen, die sich um Adolf Hitlers Familiengeschichte ranken. Zeitsprung in das Jahr 1938: Es sind erst wenige Monate vergangen, seitdem die Nationalsozialisten in Österreich die Macht übernommen haben. Die militärischen Expansionspläne des NS-Regimes sind aber bereits voll im Gange. Schon im Juni beauftragt daher die Wehrmacht die Deutsche Ansiedlungsgesellschaft (DAG) damit, im Waldviertel Raum für einen Truppenübungsplatz zu schaffen. Das Areal zwischen Horn und Zwettl ist schnell gefunden. Doch es gibt ein Problem: 7.000 Menschen leben in dem hügeligen Landstrich, der mit 190 Quadratkilometern weit größer ist als Graz. Sie müssen weg, und das möglichst schnell. Zurück lassen sie ihre Höfe, Äcker und Wälder in 13 Gemeinden und 42 Ortschaften. Die größte und bedeutendste von ihnen ist Döllersheim. Ihren Namen soll das nationalsozialistische Großprojekt später tragen. Ungeliebte Führer-Heimat Um die Gründe, warum der Truppenübungsplatz genau hier errichtet wird, ranken sich schon bald Mythen. Für einen davon sorgen die Familienverhältnisse des “Führers” Adolf Hitler selbst. Seine Großmutter Anna Maria Hitler (geb. Schicklgruber) war Dienstmagd in Strones, das zum Döllersheimer Pfarrgebiet gehörte. Hitlers Vater kommt hier 1837 als uneheliches Kind zur Welt. Als Anna Maria Hitler 1847 stirbt, wird sie auf dem Friedhof von Döllersheim beerdigt. Ihr Grab lässt sich bald nicht mehr identifizieren – dennoch zieht der Friedhof in den späten 1930ern immer mehr Führer-Pilger an, ebenso wie Anna Maria Hitlers altes Wohnhaus in Strones.
via standard: LOST PLACES Der Ort, den Hitler verschwinden ließ