Wer Jura studiert, kommt schnell mit rassistischen und sexistischen Übungsaufgaben in Berührung. An den Fakultäten scheint das nur wenige zu stören. Fallbeispiele spielen in der juristischen Ausbildung eine zentrale Rolle. Anhand fiktiver Sachverhalte lernen die Studierenden Fälle in den verschiedenen Rechtsgebieten kennen und müssen die entsprechenden Rechtsnormen anwenden. Die Fallbeispiele werden dabei von den Lehrstühlen an den Universitäten erstellt und zur Bearbeitung zur Verfügung gestellt – eine inhaltliche Kontrolle gibt es nicht. Wie problematisch das bisweilen ist, kann My Duyen Nguyen schildern. Im Laufe ihres bisherigen Jurastudiums an der Berliner Humboldt-Universität hat sie mehrere diskriminierende Fallbeispiele lesen müssen. In einem, so erzählt es die 25-Jährige, wird ein fiktives afrikanisches Land „Mungo Bongo“ genannt. Von dort reist ein Kannibale nach Bremen, wo er eine Sekretärin verspeist. Ähnliche Übungsfälle finden sich in Fachbüchern und in Lehrbüchern von Repetitorien, die zur Vorbereitung des ersten Staatsexamens dienen. Gefahr der Retraumatisierung „Ein Klassiker ist es, dass in Strafrechtsfällen unnötigerweise die ausländische Nationalität des Täters genannt wird“, erklärt Nguyen. Sie berichtet von einem Fallbeispiel, in dem zwei Männer Geld aus einem Auto gestohlen haben. In dem Text wird explizit darauf hingewiesen, dass es sich dabei um polnische Männer handelt. „Ich weiß nicht genau, ob der Sinn dahinter ist, dieses Klischee zu bedienen, denn für den Fall selbst ist die Nationalität der Personen nicht relevant“, erzählt Nguyen irritiert. In den schlimmsten Fällen wurde sogar das N-Wort ausgeschrieben. Das Jurastudium in Deutschland ist prestigeträchtig und gilt als besonders herausfordernd. Ju­ris­t:in­nen sind in der Gesellschaft hoch angesehen und haben oftmals gut bezahlte Jobs und mächtige Ämter inne. Eine ganze Säule der Demokratie wird von Ju­ris­t:in­nen gestellt: die Judikative. Und auch in der Legislative und Exekutive besetzen sie oft wichtige Posten. Umso verheerender ist es, dass die Lehrmaterialien der juristischen Ausbildung von rassistischen und sexistischen Stereotypen durchzogen sind. Gerade für von Rassismus betroffene Studierende kann die Begegnung mit den Klischees und Beleidigungen im Lehrmaterial verheerende Auswirkungen haben.

via taz: Übungsaufgaben im Jurastudium :Weißes Recht für alle

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