Hierarchisches Weltbild, sexuelle Paranoia, rassistische Hetze: Die Neue Rechte in den USA lebt auch nach der Abwahl Donald Trumps weiter. Und ihre Agenda trägt Züge des Faschismus, meint der Philosoph und Sozialwissenschaftler Daniel Loick. Aus der Sendung Sein und Streit Podcast abonnieren Zeugenaussage um Zeugenaussage – jede Woche bringt der vom US-amerikanischen Repräsentantenhaus eingesetzten Ausschuss zur Untersuchung des Sturms auf das Kapitol am 6. Januar neue Details ans Licht. Mittlerweile kann als bewiesen angesehen werden, dass der ehemalige Präsident Trump mithilfe rechtsextremer Gruppierungen und einiger Medien den Versuch eines Staatsstreiches unternommen hat. Die parlamentarische Aufarbeitung dieser Ereignisse ist wichtig, vor allem, weil sie Informationen über die Verstrickung der Republikaner mit einem Netzwerk anderer rechter Akteure öffentlich macht. Sie sollte allerdings nicht den Eindruck erwecken, es habe sich bei dem Angriff um eine Ausnahmesituation gehandelt, die nun mit den Mitteln des Rechtsstaats effektiv beendet wurde. Denn unter der Hand haben sich im mächtigsten Land der Welt längst dramatische Tendenzen verfestigt und beschleunigt. Der 6. Januar war keine Ausnahme, sondern Symptom. Eine faschistische Agenda Der Philosoph Jason Stanley spricht daher, ebenso wie viele andere, von einer Entwicklung der USA zum Faschismus. Dieser Begriff erscheint zunächst übertrieben. Schließlich spielten die USA historisch eine wichtige Rolle gerade bei der Befreiung Deutschlands und der Welt vom Faschismus. Auch marschieren in den Straßen von Washington keine Braunhemden, es gibt freie Wahlen und eine plurale Presse. Dennoch ist es für Stanley wichtig, die aktuellen Tendenzen spezifisch als Faschismus zu bezeichnen. Er identifiziert zentrale Merkmale historischer faschistischer Bewegungen. Dazu zählen etwa die Berufung auf eine mythische glorreiche Vergangenheit, ein hierarchisches Weltbild, das auf die Dominanz einer als überlegen konstruierten Gruppe abzielt, die Forderung nach Kriminalisierung von Abweichung, eine sexuelle Paranoia, die andere als pervers oder bedrohlich stilisiert, oder der Einsatz von Propaganda-Rhetoriken.
via zeit: Neue Rechte in den USA Auf dem Weg zum Faschismus?