Russlands Behörden gehen weiter gegen unabhängige Journalistinnen vor. Wie jetzt bekannt wurde, hat die Moskauer Stadtverwaltung Mitte Juni beim Moskauer Stadtgericht das Verbot der Gewerkschaft der Journalistinnen und Medienschaffenden beantragt, berichtet »Wedomosti« mit Verweis auf einen Gerichtsbeschluss, den die Tageszeitung einsehen konnte. Im Mai und Juni wurde die Gewerkschaft von der Staatsanwaltschaft überprüft. Die Ermittlungsbehörden verlangten Unterlagen über die Finanzierung, die Mitglieder und Sitzungsprotokolle. Die Ergebnisse der Überprüfung sind bis heute nicht bekannt. Die Gewerkschaft wurde über die Überprüfung nicht vorab informiert, sagte ein Vertreter der »Wedomosti«. Das gilt auch für das Verfahren, dass Mitte Juni gegen die Journalistinnen eingeleitet wurde. Mit ihrem Vorgehen habe die Staatsanwaltschaft das Gesetz gebrochen, erklärt der Anwalt Maxim Krupskij der »Wedomosti«. Die Beschuldigten hätten über das Vorgehen vorab informiert werden müssen. Am 4. Juli stellte die Gewerkschaft nach einem Antrag der Staatsanwalt ihre Arbeit vorläufig ein. Die Journalistinnen werden beschuldigt, auf der Homepage der Organisation Publikationen verbreitet zu haben, die »unwahre Informationen über den Verlauf der militärischen Sonderoperation« enthalten und die russischen Streitkräfte diskreditieren. »Die Tätigkeit der Gewerkschaft zieht damit eine Verletzung von Menschen- und Bürgerrechten und -freiheiten nach sich. Außerdem schadet sie der öffentlichen Ordnung und der Sicherheit, Gesellschaft und dem Staat«, so die Staatsanwaltschaft. Die Gewerkschaft der Journalistinnen und Medienschaffenden wurde 2016 als Reaktion auf einen Überfall auf Journalistinnen und Menschenrechtlerinnen an der Grenze der Kaukasusrepubliken Tschetschenien und Inguschetien gegründet. Maskierte verprügelten damals die Insassen eines Busses, nahm den Journalist*innen die Ausrüstung ab und steckten das Fahrzeug in Brand. 2017 wurde die Organisation beim Justizministerium registriert. 2020 hatte die Gewerkschaft mehr als 600 Mitglieder, überwiegend von unabhängigen Medien, in 40 Regionen Russlands. Die Organisation ist Mitglied der Europäischen Journalisten Föderation (EFJ) und der Internationalen Journalisten-Föderation (IFJ).