In Erfurt beginnt am Mittwoch der Prozess gegen neun Personen aus dem Neonazi-Netzwerk „Bruderschaft Thüringen“, die sich unter anderem wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, Drogenhandels und Geldwäsche verantworten müssen. Wenn in einer Halle der Messe in Erfurt der Prozess gegen sechs Männer und drei Frauen beginnt, saßen einige davon bereits im vergangenen Jahr auf der Anklagebank des Landgerichts Erfurt. Ging es bei der Neuauflage des „Ballstädt Prozesses“ um den brutalen Überfall auf eine Kirmes-Gesellschaft, müssen sich die neun Beschuldigten aus Thüringen, Hessen und Nordrhein-Westfalen jetzt unter anderem wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verantworten. Einzelne Beschuldigte sind wegen schwerer Zwangsprostitution, Geldwäsche und Verstößen gegen das Waffengesetz angeklagt. Sieben Beschuldigte müssen sich vor Gericht wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung verantworten. Schon ein Blick auf einige Beschuldigte zeigt die enge Verzahnung zwischen Neonazi-Strukturen, Rotlicht, Waffen und Drogenhandel. Thomas W. und Rocco B. mussten sich bereits im Ballstädt-Prozess vor Gericht verantworten, auch W.s Cousine Nicole G. ist seit mehr als zehn Jahren in der extrem rechten Szene aktiv, ihre Handynummer diente in der Vergangenheit immer wieder als Kontaktnummer für konspirative Rechtsrock-Konzerte. Matthias M. war der Anmelder des konspirativ organisierten Konzerts im Schweizer Städtchen Unterwasser 2016 mit rund 5.000 Besuchern. Bei einer Durchsuchung in seiner Wohnung stießen die Ermittler 2019 auf scharfe Waffen und rund 2000 Schuss Munition. Peter M. trat als Rapper bei dem Konzert in der Schweiz auf, war führendes Mitglied der im August 2012 verbotenen Kameradschaft Aachener Land (KAL) und wurde wegen Handels mit Drogen im März 2019 zu einer Haftstrafe verurteilt. Die ehemalige Prostituierte Sina T. war für die Führung eines neuen Bordells in Gotha vorgesehen. Auch Dirk W. wird auf der Anklagebank Platz nehmen müssen, während er noch im Ballstädt-Prozess zu den Anwälten der angeklagten Neonazis gehörte. Sie alle gehören zum neonazistischen Netzwerk „Bruderschaft Thüringen” oder ihrem direkten Umfeld (…) Seit 2015 treibt die neonazistische „Bruderschaft“ ihr braunes Unwesen, laut Innenminister Georg Maier eine „sehr radikale und gewalttätige Ausprägung des Rechtsextremismus“. Allein zwischen 2019 und 2020 gab es laut Innenministerium in 32 Fällen Ermittlungsverfahren gegen Personen, die der „Bruderschaft“ beziehungsweise den „Turonen” oder der „Garde 20″ zugerechnet werden. Das Netzwerk ist eng mit der Rechtsrock-Szene verwoben und spielt in der Organisation von Konzerten eine große Rolle. Es unterhält bundesweit Kontakte in die Neonazi-Szene und pflegt enge Verbindungen nach Österreich und in die Schweiz sowie zu den Netzwerken „Blood & Honour” und „Combat 18″.
via endstation rechts: ORGANISIERTE KRIMINALITÄT Prozessbeginn gegen mafiöse Neonazi-Strukturen
siehe auch: Das rechtsextreme Drogenkartell: Aufstieg und Ende der “Bruderschaft Thüringen”. Am Mittwoch beginnt unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen ein erster Großprozess gegen das rechtsextreme Drogenkartell der “Bruderschaft Thüringen”. Sie galt als die gefährlichste Neonazi-Organisation Thüringens – bestens vernetzt mit rechtsextremen militanten Strukturen “Blood & Honour” und “Hammerskins”. Exakt – Die Story: Braunes Gift – Das Drogenkartell der Neonazis (Trailer) Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK 1 min Braunes Gift: Das Drogenkartell der Neonazis Facebook Twitter Pinterest Email Nach fast zwei Jahren Ermittlungen scheint das Thüringer Landeskriminalamt (LKA) das Netzwerk jetzt zerschlagen zu haben. Damit ist den Ermittlern erstmals gelungen, eine Neonazi-Struktur nachhaltig zu bekämpfen. Fast 30 Jahre konnten die Rechtsextremisten nahezu ungestört Angst und Schrecken verbreiten. Bis sie zu Drogendealern wurden. (…) Unbekannt waren die mutmaßlichen Drahtzieher dagegen nicht: alle der inhaftierten “Turonen” oder Mitglieder der “Garde 20” sind als Rechtsextremisten registriert. Die beiden Chefs der “Bruderschaft” sind seit Mitte der 1990er-Jahre aktiv. Neonazi-Konzerte als Beginn Der Rechtsrock war von Anfang an das Geschäftsfeld der späteren Führer der “Bruderschaft”. Thomas W. – einer der Bosse – spielte in Bands wie “Bataillon” und “SKD – Sonderkommando Dirlewanger” – benannt nach dem Kriegsverbrecher Oskar Dirlewanger. Er soll auch dabei gewesen sein, als in Gotha der rechtsextreme “Toringi e.V.” gegründet wurde, der vor allem mit illegalen Neonazi-Konzerten die Polizei in Atem hielt. Als der Druck der Polizei immer größer wurde, wichen die Rechtsextremisten ins nahe Crawinkel aus, um sich dort als “Hausgemeinschaft Jonastal” – kurz HJ, wie Hitler-Jugend, zu organisieren. In der alten Fleischerei machten sie nicht nur weiter mit volksverhetzendem Rechtsrock, sondern feierten sich in den sozialen Medien als “NSU reloaded” – ergänzt mit einem Foto, das die Neonazis mit Waffen zeigte. Von Anfang an bekannten sie sich zu dem später als Unterstützer der NSU-Terroristen verurteilten Ralf Wohlleben. Sie sammelten Spenden, veröffentlichten Solidaritäts-Sampler. Auch als “Bruderschaft” hielten sie Kontakt zu Wohlleben (…) Dann kam Corona und so das Aus für Großveranstaltungen. Das war – vermuten die Ermittler des LKA und der Verfassungsschutz – der Zeitpunkt, an dem sich die “Turonen” ihrer Erfahrungen aus dem “Objekt 21” besannen und den Drogenhandel für sich entdeckten. Scheinbar problemlos knüpften sie an das lokale Drogenmilieu Gothas an. Sie übernahmen ein Bordell, planten ein weiteres. Bald lief das Drogenkartell der Neonazis. Immer mehr Drogen orderten sie – erst bei einem Neonazi aus Aachen, später bei einem Rocker des Bandidos MC in Gera. Nach nur einem Jahr war es den schlagkräftigen Rechtsextremisten gelungen, ihre Claims zwischen Bad Langensalza und Meiningen, von Gotha bis in den Landkreis Saalfeld-Rudolstadt auszuweiten und zu behaupten.