Vor dem Landgericht in München hat der Prozess gegen zehn Rechtsextremisten aus vier Bundesländern begonnen. Sie sollen die Neonazi-Organisation “Blood & Honour” nach deren Verbot weitergeführt haben. Etliche Angeklagte sind zu Geständnissen bereit. Sie sollen das verbotene Neonazi-Netzwerk “Blood & Honour” fortgeführt, rechtsextreme Musik-CDs verbreitet, sogar selbst produziert haben oder Artikel mit verbotenen Nazi-Symbolen verkauft haben: Vor dem Landgericht München I müssen sich seit Montag mehrere mutmaßliche Funktionäre und Mitglieder der im Jahr 2000 verbotenen Organisation verantworten. Das Verfahren gegen die zehn Rechtsextremisten findet ausgerechnet im Saal A101 statt, also jenem Saal des Münchner Justizzentrums, in dem fünf Jahre lang der sogenannte NSU-Prozess verhandelt wurde. Die Terroristen des Nationalsozialistischen Untergrunds waren eng verbunden mit “Blood & Honour”. Über das internationale Netzwerk werden seit den 1980er-Jahren rechte Musik und Propaganda, aber auch Anleitungen zum bewaffneten Kampf und zum Bombenbauen verbreitet. (…) Das internationale Netzwerk wird mit zahlreichen Gewalttaten und Terror in Verbindung gebracht. Außerdem geht es um Volksverhetzung sowie das Verwenden von Symbolen verfassungswidriger Organisationen. Der älteste Angeklagte ist knapp 50, der jüngste knapp über 30 Jahre alt. Einige erscheinen auf den ersten Blick harmlos bis bieder, so Prozessbeobachter. Anderen sieht man die politische Einstellung von Weitem an: kahlgeschoren, Arme, Hände und Hals mit einschlägigen Tattoos verziert, einer trägt das Kapuzenshirt einer Marke, die bei Neonazis beliebt ist. Geburtstagsfeier mit NSU-Terroristen? Der Name eines der Beschuldigten in diesem Gerichtsverfahren tauchte auch schon im NSU-Prozess auf: Stanley R.. Der mehrfach einschlägig vorbestrafte Neonazi ist seit den 1990er-Jahren in der militanten rechten Szene aktiv. Bei seiner Geburtstagsfeier im März 2006 in einem Rocker-Club in Kassel sollen die NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gesehen worden sein – der Verdacht ließ sich jedoch nicht erhärten. Zwei Wochen später jedenfalls ermordete der NSU in Kassel den 21-jährigen Halit Yozgat.
via br: Prozessbeginn gegen Rechtsextremisten von Blood and Honour
siehe auch: Neonazis von »Blood & Honour« vor Gericht »Was bekomme ich für ein Geständnis?« In München hat der Prozess gegen mutmaßliche Mitglieder des Neonazi-Netzwerks »Blood & Honour« begonnen. Er könnte schneller enden als gedacht. Die CDs mit volksverhetzenden Liedern waren für die Neonaziszene gedacht, stattdessen fielen sie im Dezember 2018 den Ermittlerinnen und Ermittlern in die Hände. Auf dem Cover ein Hakenkreuz, ein weißer Drache, die Aufschrift »Combat 18« und die Buchstaben »B« und »H«, verbunden mit einem Totenkopf – der gängige Schriftzug von »Blood & Honour«, dem Neonazi-Netzwerk, das seit 2000 in Deutschland verboten ist. Verschwunden aber scheint das Netzwerk nicht zu sein. Offenbar eben sowenig wie die inzwischen ebenfalls verbotene Organisation »Combat 18«, die als sein bewaffneter Arm gilt. Seit Montag müssen sich vor der Staatsschutzkammer des Landgerichts München I zehn Neonazis im Alter zwischen 32 und 49 Jahren verantworten. Die Männer kommen aus Bayern, Thüringen und Baden-Württemberg. Es geht um Volksverhetzung, die Verwendung von Nazisymbolen und um den Verstoß gegen das Verbot der Vereinigung »Blood & Honour Division Deutschland«. Zwischen 2016 und 2018 sollen die Angeklagten den deutschen Ableger von »Blood & Honour« trotz Verbots fortgeführt und sogenannte Sektionen in Bayern, Baden-Württemberg und Thüringen aufgebaut haben. (…) Vor Gericht geben sich die Angeklagten handzahm. Ein Verteidiger nach dem anderen signalisiert an diesem Montag im Saal A101 die Bereitschaft seines Mandanten, ein Geständnis abzulegen. Alle zehn Angeklagten streben eine sogenannte Verständigung an. Das heißt: Geständnis gegen milde Strafe. Die Generalstaatsanwaltschaft muss einem solchen Deal zustimmen. Das Feilschen beginnt sogleich im Saal. Haupttäter und Mitläufer Anwalt Olaf Klemke ist der Erste, der an diesem Morgen Gespräche anregt. Klemke hat im selben Saal einst Ralf Wohlleben im Prozess um die rechtsterroristische Vereinigung »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU) verteidigt. Wohlleben hatte dem NSU die Waffe organisiert, mit der die Terroristen neun Migranten töteten; er wurde wegen Beihilfe zum Mord verurteilt. Nun verteidigt Klemke den 41-jährigen Ringo N. Der Berufskraftfahrer soll erst Kassenwart, dann Leiter der »Blood & Honour«-Sektion Bayern gewesen sein. Auch er soll bei der Einfuhr der mindestens 800 frisch produzierten CDs aus Ungarn nach Deutschland geholfen haben. »Ihm war es besonders wichtig, dass ›ein schönes Hakenkreuz‹ auf dem Cover zu sehen ist«, sagt Oberstaatsanwalt Laubmeier. Verteidiger Klemke fackelt nicht lange. Nach Verlesung der Anklage kommt er sogleich zum Punkt: »Was bekomme ich für ein Geständnis?« Oberstaatsanwalt Laubmeier unterscheidet die zehn Angeklagten in Haupttäter und Mitläufer. Wenn sie vor Gericht gestehen und Reue zeigen, hält er je nach Vorstrafen und Tatvorwurf Freiheitsstrafen – ausgesetzt zur Bewährung –, Geldstrafen und bei zwei Angeklagten auch die Einstellung des Verfahrens für möglich. Klemkes Mandanten zählt die Generalstaatsanwaltschaft zu den Haupttätern. Eine Freiheitsstrafe auf Bewährung sei bei entsprechender Gegenleistung dennoch denkbar, so Laubmeier.