So gefällt sich Otto Baumann: In Tarnfleckjacke, das grüne Barett mit dem Abzeichen der Bundeswehr-Panzergrenadiere auf dem noch immer vollen Haar, steht der 74-jährige Schnauzbartträger auf dem Friedhof seines nordhessischen Heimatdorfs und hält, wie jedes Jahr im November, seine Ansprache zum Volkstrauertag. Um ihn herum haben sich aufgereiht der Ortsvorsteher, die Pfarrerin, die Freiwillige Feuerwehr und die, die sie in dem Tausend-Seelen-Dorf „seine Leute“ nennen: ehemalige Bundeswehr-Soldaten aus der Region. Baumann ist Vorsitzender der Reservistenkameradschaft Werra-Gertenbach, einer Untergliederung des bundesweiten Reservistenverbands, der im Auftrag des Verteidigungsministeriums ehemalige Bundeswehr-Angehörige betreuen, informieren und weiterbilden soll. Dabei steht der rüstige Reserveoffizier politisch ganz weit rechtsaußen. Der Rechtsanwalt aus Gertenbach, einem Ortsteil der Kleinstadt Witzenhausen im Werra-Meißner-Kreis, gehört der AfD an. Jahrelang saß er im Vorstand des kleinen und zerstrittenen Kreisverbands, bis heute gilt er als Strippenzieher. Und: Er war einer der nur 20 Erstunterzeichner der „Erfurter Resolution“, die im März 2015 die Geburtsstunde des offen völkischen „Flügels“ der AfD markierte. Die einflussreiche Parteigruppierung um den Thüringer Landesvorsitzenden Björn Höcke, die 2020 offiziell aufgelöst wurde, nachdem sie der Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft hatte, nannte das Papier ihre „Gründungsurkunde“. (…) Der FR liegen etliche Beiträge Baumanns aus einer internen Chatgruppe von Gegner:innen der Corona-Maßnahmen aus dem nordhessisch-thüringischen Grenzgebiet vor. „WSA“ – für: „Wir stehen auf“ – heißt die Gruppe, der rund 160 Menschen angehören. Baumann ist einer von denen, die hier das große Wort führen, im Chat ebenso wie bei den montäglichen „Spaziergängen“, die mittlerweile allerdings meist nur noch im thüringischen Uder stattfinden, einem Örtchen kurz hinter der Landesgrenze. In seinen Postings lässt er wenig Zweifel daran, dass es ihm beim Kampf für ein „freies Land“, wie er es nennt, um mehr geht als nur um Masken und Impfpflicht. Bezogen auf die Bundesrepublik schreibt er von einem „Regime“, einem „autoritären System“, einer „Scheindemokratie“. Die örtliche Zeitung pflegt er als „Stürmer“ zu bezeichnen, setzt sie also gleich mit dem antisemitischen Hetzblatt der NSDAP. Als Anfang April im Bundestag über die Impfpflicht abgestimmt werden sollte, log Baumann, dass geplant sei, Menschen aus ihren Wohnungen zu zerren und in Impfzentren zu verschleppen (…) Wegen seiner Unterschrift unter der „Erfurter Resolution“ hat er vor einigen Tagen nun Post vom Reservistenverband bekommen. „Eine Zugehörigkeit zum ‚Flügel‘ werten wir als Indiz, dass jemand nicht auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung steht“, sagt der Präsident des Verbands, der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Patrick Sensburg. Baumann drohe deshalb der Ausschluss
via fr: Nordhessen: Ein AfD-Rechtsaußen führt die Reservisten der Bundeswehr an