Die Nachdenkseiten als Träger von Ideologie, Scharnier für Verschwörungstheorien
und Agenda-Setzer der radikalen Systemopposition. Wie diese Untersuchung zeigt, handelt es sich bei den Nachdenkseiten um ein stark ideologisiertes, undifferenziert argumentierendes Medium, das radikale Widerständigkeit postuliert und als Scharnier für verschwörungstheoretisches Denken fungiert. Bei einzelnen Themen (fundamentale Medien- und Politikkritik, Vertretung der Position des diktatorischen Putin-Regimes, US- und Nato-Bashing, Corona) reiht man sich dabei bewusst in eine fundamentaloppositionelle Querfront ein. Man folgt einer Destruktionslogik, die als kritische Dekonstruktion ausgegeben wird. Die Nachdenkseiten bleiben dabei aber politisch klassisch links verortbar, etwa was die Abgrenzung zur Fremdenfeindlichkeit und die Wirtschaftspolitik betrifft. Sie verbreiten die Ideologie in der Regel auch nicht mit direkten „Fake News“, sondern mittels einer auf Halbwahrheiten und instrumenteller Pauschalkritik fußenden Methodik. Im Verbund mit anderen „Alternativmedien“ betreiben die Nachdenkseiten vorwiegend das, was sie vorgeben zu kritisieren: einseitige Meinungsmache. (…) In den Zeiten der Coronamaßnahmenproteste ist die Querfrontdiagnose aus guten Gründen wieder en vogue. Schon die sprachliche Parallele zu den sogenannten „Querdenkern“, die gerne eine angebliche ideologische Ungebundenheit zur Schau stellen, zeugt von möglichen inhaltlichen Schnittmengen. (9) Im siebten Jahr nach Storz‘ Studie haben auch die Nachdenkseiten ihre Stellung als ausdifferenziertes Medienportal mit Blog, Medienschau, Audio- und Videoangeboten sowie dazugehörigem Buchangebot ausgebaut. Die Macher berichten von durchschnittlich 150.000 täglichen NutzerInnen (10) und haben rund 100.000 Follower auf Facebook. Die vorliegende Fallstudie beleuchtet das Portal deshalb in Bezug auf die Frage, wo im Spannungsfeld zwischen kritisch-integrativem Aufklärungs- und radikalisiert-desintegrativem Querfrontmedium die Nachdenkseiten zu verorten sind. Dazu werden die Geschichte und Entwicklung (2), die Stellung innerhalb der „alternativen“ Medienlandschaft (3) sowie die Inhalte, Methoden und Argumentationsweisen (4) in den Blick genommen.
via gegneranalyse: Fallstudie: Vom Aufklärungs- zum Querfront-Medium?