Angeblich wollen deutsche Rechtsextreme in der Ukraine gegen Russland kämpfen. Laut Bundesinnenministerium liegt die Zahl von tatsächlichen Ausreisen allerdings im niedrigen einstelligen Bereich. Belltower.News sind mindestens drei Fälle bekannt: ein rechtsextremer Kampfsportler und zwei neurechte Publizisten. Auf Telegram rekrutieren deutsche Neonazis für den Krieg: Sie teilen die Adressen von vermeintlichen Anlaufstellen in der Ukraine oder Telefonnummern von Kontaktpersonen vor Ort, wie Belltower.News berichtete. Andere Rechtsextreme fragen in Chats, wie sie sich dem rechtsextremen Freiwilligen-Regiment „Asow“ anschließen können. Manche erkundigen sich nach Mitfahrgelegenheiten. Auch wenn die extreme Rechte in Deutschland seit dem Kriegsausbruch gespalten ist, stößt der Appell vom Präsident Selenskyj an internationale Kämpfer, die Ukraine zu unterstützen, zumindest in Teilen der Szene auf Begeisterung. In den sozialen Medien zeigen sich deutsche Rechtsextreme kriegsbereit und wollen offenbar Kampferfahrung sammeln. (…) „Aufgrund des gegenwärtigen Konflikts wurden die Bundespolizeidirektionen zu möglichen Reisebewegungen rechtsextremer Personen sensibilisiert“, so der BMI-Sprecher weiter. Ausreisen von Rechtsextremen im niedrigen einstelligen Bereich habe die Behörde bereits verhindern können. (…) Doch zumindest drei mutmaßliche Ausreisen von deutschen Rechtsextremen in die Ukraine sind Belltower.News bereits bekannt: Auf Instagram posiert der rechtsextreme Kampfsportler Tom Neubert bewaffnet in Uniform und behauptet, in der Ukraine gewesen zu sein. Dazu teilt er Fotos von zerbombten Wohnblöcke in Kyjiw. Neubert bestreitet, noch Teil der rechtsextremen Szene zu sein – was allerdings im Hinblick auf die vielen Verbindungen ins rechtextreme Milieu in Dortmund und darüber hinaus fragwürdig erscheint. Neubert, der bereits beim rechtsextremen Fight-Event „Kampf der Nibelungen“ oder an der schwedischen Tournee „King of the Streets“ teilgenommen hat, kennt bereits den russischen Neonazi und Kampfsport-Veranstalter Dennis Nikitin (mit bürgerlichem Namen: Kapustin): Neubert hat im Mai 2019 auf Nikitins Kampfsportgala „F1ght K1ngs“ in der ukrainischen Hauptstadt gekämpft. Der „Asow“-nahe Nikitin rekrutiert derzeit internationale Rechtsextreme auf Telegram für den Kampf in der Ukraine gegen Russland. Neubert gibt allerdings an, „aus ganz persönlichen“ Gründen inzwischen wieder nach Deutschland gereist zu sein. Auch ein anonymer Autor des „neurechten“ Verlags „Jungeuropa“ gibt in einem Online-Blog an, in die Ukraine gereist zu sein. Auf der Verlagswebseite führt er ein „Ukraine-Tagebuch“. Darin behauptet er, mit einem befreundeten Autor unterwegs zu sein. Bei „Jungeuropa” ist 2020 „Natiokratie“ von Mykola Sziborskyj erschienen, das „Manifest des ukrainischen Nationalismus“. Sziborskyj war eine Führungsfigur der nationalistischen „Organisation Ukrainischer Nationalisten“ (OUN), die für die Unabhängigkeit der Ukraine einstand. Die Fraktion der OUN, zu der Sziborskyjsich zählte, kämpfte im Zweiten Weltkrieg auf Seiten der Waffen-SS. Das Vorwort lieferte Mykola Krawtschenko, Mitglied des rechtsextremen „Asow“-Regiments. Am 16. März gab der Verlag bekannt, dass Krawtschenko durch eine russische Rakete getötet wurde. (…) Andere deutsche Rechtsextreme waren weniger erfolgreich: Die Kader von der „Neuen Stärke Partei“ fuhren bis zur polnisch-ukrainischen Grenze, nach eigenen Angaben mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln, doch offenbar auch mit dem Ziel, dem „ukrainische(n) Volk…(zu) helfen, auf allen erdenklichen Wegen“. Die Mission war ein Flop: In einem „Fazit“ auf YouTube zeigt sich der Bundesvorsitzender der Partei Bryan Kahnes enttäuscht: Da sie keine Zeit hatten, Reisepässe zu besorgen, durften sie nicht in die Ukraine einreisen.
via belltower: Von Maulheldentum bis Kriegstourismus – DEUTSCHE RECHTSEXTREME IN DER UKRAINE
