Putins Ansage, die Ukraine ‘entnazifizieren’ zu wollen, ist offenkundig ein Vorwand für seinen Angriffskrieg. Dennoch sollte man sich diese Rhetorik genauer anzuschauen. Denn in ihr zeigen sich antisemitische Schlüsselelemente einer weltweit vernetzen Rechten, die in Putin ihren Führer sieht. Als Wladimir Putin am Donnerstag, den 24. Februar im Morgen­grauen den Einmarsch Russ­lands in die Ukraine ankün­digte, recht­fer­tigte er die „mili­tä­ri­sche Sonder­ope­ra­tion“ mit dem Ziel, die Ukraine zu „entna­zi­fi­zieren“. Dieser faden­schei­nige Vorwand des russi­schen „Leader“ – wie er sich selbst mit einem Angli­zismus nennt – stellt den jüdi­schen Präsi­denten der Ukraine als Nazi dar und die russi­schen Christen als die wahren Opfer des Holo­causts. Diese Recht­fer­ti­gung der Inva­sion ist in keiner Weise haltbar, aber es wäre ein Fehler, sie einfach zu ignorieren. Wladimir Putin ist selbst ein faschis­ti­scher Auto­krat, der demo­kra­ti­sche Oppo­si­ti­ons­führer und Kritiker inhaf­tiert. Er ist der aner­kannte Anführer der welt­weiten extremen Rechten, die immer mehr wie eine globale faschis­ti­sche Bewe­gung erscheint. Tatsäch­lich gibt es auch in der Ukraine eine rechts­ex­treme Bewe­gung; zu ihren bewaff­neten Vertei­di­gern gehört zum Beispiel das Asow-Bataillon, eine rechts­ex­treme natio­na­lis­ti­sche Miliz­gruppe. Das ist nichts Beson­deres – kein demo­kra­ti­sches Land ist frei von rechts­ex­tremen natio­na­lis­ti­schen Gruppen, auch die Verei­nigten Staaten nicht. Doch die ukrai­ni­sche extreme Rechte wurde bei den Wahlen 2019 gede­mü­tigt, da sie nur 2 % der Stimmen erhielt. Das ist, wohl gemerkt, weit weniger Unter­stüt­zung als rechts­ex­treme Parteien in ganz West­eu­ropa erhalten, einschließ­lich unstrittig demo­kra­ti­scher Länder wie Frank­reich und Deutschland. Die Ukraine ist ein demo­kra­ti­sches Land, dessen popu­lärer Präsi­dent Wolo­dymyr Selen­skyi in einer freien und fairen Wahl mit über 70 % der Stimmen gewählt wurde. Selen­skyi entstammt einer jüdi­schen Familie, die in Teilen im Holo­caust ausge­löscht wurde. Putins Behaup­tung, dass Russ­land in die Ukraine einmar­schiere, um sie zu „entna­zi­fi­zieren“, ist daher schon rein äußer­lich absurd. Wenn man jedoch versteht, warum Putin den Einmarsch in die demo­kra­ti­sche Ukraine auf diese Weise recht­fer­tigt, wirft das ein aufschluss­rei­ches Licht auf das, was nicht nur in Osteu­ropa, sondern welt­weit geschieht. Der Faschismus ist ein Führer­kult, der ange­sichts einer vermeint­li­chen Demü­ti­gung der Nation durch ethni­sche oder reli­giöse Minder­heiten, Libe­rale, Femi­nis­tinnen, Einwan­derer und Homo­se­xu­elle eine natio­nale „Erneue­rung“ verspricht. Der faschis­ti­sche Führer behauptet, die Nation sei von diesen Kräften ernied­rigt und in ihrer Männ­lich­keit bedroht worden und müsse daher ihren früheren Ruhm (und oft auch ihr früheres Terri­to­rium) mit Gewalt zurück­ge­winnen. Und er selbst sei der Einzige, der die Nation wieder­her­stellen könne. (…) Putin, der „Anführer“ des russi­schen christ­li­chen Natio­na­lismus, sieht sich inzwi­schen als dessen globaler Leader und wird von christ­li­chen Natio­na­listen in der ganzen Welt, auch in den Verei­nigten Staaten, zuneh­mend als solcher ange­sehen. Das liegt auch daran, dass russi­sche faschis­ti­sche Denker der jüngeren Vergan­gen­heit wie nament­lich Alex­ander Dugin und Alex­ander Prochanow, die den Grund­stein für diese Bewe­gung gelegt haben, nicht nur wich­tige Persön­lich­keiten in Putins Russ­land sind, sondern auch über eine globale Reich­weite verfügen.

via geschichtedergegenwart: Der Anti­se­mi­tismus hinter Putins Forde­rung nach „Entna­zi­fi­zie­rung“ der Ukraine

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By <a href=”//commons.wikimedia.org/wiki/User:Poliocretes” title=”User:Poliocretes”>Oren Rozen</a> – <span class=”int-own-work” lang=”en”>Own work</span>, CC BY-SA 4.0, Link

Categories: Rechtsextremismus