Vor drei Jahrzehnten starb ein Fünfjähriger bei einem Anschlag im Allgäu. Nun rollt die Polizei den Fall neu auf – und fahndet nach Tätern aus dem rechtsextremen Milieu. Deutschland ist gerade seit wenigen Wochen wiedervereint, als unbekannte Täter in Kempten im bayerischen Allgäu losziehen, um ein Haus abzubrennen. In der Nacht auf den 17. November 1990 dringen sie in das Gebäude am Rande der Innenstadt ein, betreten das hölzerne Treppenhaus, verschütten vor den Wohnungen im zweiten und dritten Stockwerk eine brennbare Flüssigkeit und zünden sie an. Der Teenager Gökhan S., seine damals 18-jährige Schwester Zeynep und ihre Mutter retten sich durch einen Sprung aus dem Fenster. Erst Minuten später holen Feuerwehrleute den kleinen Sohn der Familie mit einer Drehleiter aus dem Kinderzimmer, aus dem bereits dunkler Rauch quillt. Der Fünfjährige erliegt später einer Rauchvergiftung. Kurz darauf bekennen sich Neonazis zu der Tat. Eine Gruppe namens Anti Kanaken Front Kempten brüstet sich in einem Schreiben an eine Lokalzeitung mit dem Anschlag. Doch die Hinterbliebenen erfahren erst 30 Jahre später, dass ihr Sohn Opfer eines rassistischen Anschlags geworden sein dürfte. Anlass sind neue Recherchen von ZEIT ONLINE und Allgäu rechtsaußen. Jetzt sucht die Polizei nach Zeugen, die Hinweise auf die damaligen Täter geben können. Sie erhoffen sich Hinweise auf die Urheber des Briefs. Damals hatte die Staatsanwaltschaft Kempten lediglich wegen schwerer Brandstiftung ermittelt. Trotz des Bekenntnisses stellte die Behörde das Verfahren nach nicht einmal zwei Jahren ein, ohne die Hinterbliebenen zu informieren. In dem Brief, der ZEIT ONLINE vorliegt, drohen die Verfasser in Runenschrift und mit Hakenkreuz verziert: “Wir werden nicht ruhen, bis Kempten von allen undeutschen Kreaturen befreit ist.” Kempten solle die “erste Stadt sein”, die “nicht von Schwulen, Linken, Ausländern und anderen Schweinen geplagt” werde.

via zeit: Rechtsextremismus in Kempten – Polizei sucht Zeugen 30 Jahre nach rassistischem Anschlag