In Hochwasser-Katastrophengebieten inszenieren sich Neonazis als Retter. Das stellt die Einsatzkräfte vor Ort vor neue Herausforderungen. Es ist eine ungewöhnliche Botschaft mit der sich die Koblenzer Polizei am Dienstag via Twitter an die Öffentlichkeit wendet. Mit dem Hashtag „Fakenews” wird von Fahrzeugen mit Lautsprechern in den Hochwasser-Regionen in Rheinland-Pfalz gewarnt. Die Autos sollen offiziellen polizeilichen Einsatzfahrzeugen ähneln und die Falschnachricht verbreitet haben, dass die Anzahl der Polizei- und Rettungskräfte in den betroffenen Gebieten reduziert werden. „Wir sind ununterbrochen da”, entgegnet die Koblenzer Polizei der Falschnachricht auf ihrem Twitter-Account. Nur eines von zahlreichen Beispielen der vergangenen Tage, die aufzeigen, dass sich die zuständigen Behörden in Rheinland-Pfalz neben der Information der Bevölkerung in den Krisenregionen, plötzlich auch mit der Richtigstellung von diversen, bewusst verbreiteten Fakenews, beschäftigen müssen. Ursprung der Falschnachrichten sind meist sogenannte Querdenker und Neonazis, die in der Hochwasserkatastrophe ein neues Thema für ihre Propaganda entdeckt haben.
In dem, von d en Wassermassen, besonders betroffenen Bad Neuenahr-Ahrweiler haben von außerhalb angereiste Akteure der Szene bereits am vergangenen Wochenende eine zerstörte Grundschule als ihre „Leitstelle” ausgerufen. In verschiedenen Videostreams aus der Schule, die auf der Messengerplattform Telegram verbreitet werden, wird davon gesprochen, dass die Schule angeblich „besetzt” sei und eine „Kommandostelle” aufgebaut werden würde, um Hilfeleistungen und Rettungsaktionen von der Schule aus zu koordinieren. Die Stadt Ahrweiler erklärt jedoch, kein Einverständnis zur Nutzung der Schule gegeben zu haben, wie „t-online” berichtet. Generell wird nach wie vor von behördlicher Seite dringend davon abgeraten, auf eigene Faust ins Katastrophengebiet zu reisen. Befürchtet wird, dass die staatlichen Rettungsaktionen so behindert werden könnten. Nicht angekommen ist diese Warnung unter anderem bei dem als „Volkslehrer” bekannten, wegen Holocaustleugnung aus dem Berliner Schuldienst entlassenen, rechtsextremen Aktivisten Nikolai Nerling.
via tagesspiegel: Von Corona-Demos ins Katastrophengebiet – Querdenker und Rechte missbrauchen die Not der Flut-Opfer
siehe auch: Impfgegner im Hochwassergebiet: „Querdenker“ stehen im Weg und versuchen, vom Leid zu profitieren. Angeblich wollen sie helfen, für die Behörden sind „Querdenker“ und Rechtsextreme im Katastrophengebiet in Rheinland-Pfalz jedoch vor allem eine Last. Impfgegner belästigen in Ahrweiler sogar Helfer und Impfwillige vor einem mobilen Impfzentrum. Der Grünen-Politiker Konstantin von Notz spricht von schamlosem Verhalten. Wenn das Leid am größten ist, schlägt ihre Stunde. Die Hochwasserkatastrophe, die in Teilen von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz für Verwüstung und mindestens 170 Tote gesorgt hat, kommt einigen „Querdenkern“ offenbar gelegen. Schon seit Tagen mobilisieren Anführer der Szene in das besonders hart getroffene Ahrweiler. Verschwörungsideologen, Impfgegner und Neonaziaktivisten laufen durch den verwüsteten Ort, drehen Videos, die sie an ihre Zehntausenden Anhänger in der Messenger-App Telegram verschicken. Angeblich wollen sie helfen. Doch für die Behörden sind sie vor allem eine Last. Besonders auffallen würden die „Querdenker“ und Rechtsextremen in Ahrweiler nicht, sagt Sascha K. dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND), der in einem benachbarten Dorf wohnt und seit vergangenem Donnerstag täglich als ehrenamtlicher Helfer im Einsatz ist. Man sehe vor allem einzelne bekannte Personen aus der Szene, die sich für ihre Videos an besonders verwüsteten Stellen nahe der Ahr aufstellten. „Dort stehen sie denen, die arbeiten wollen, im Weg“, sagt K., der nicht mit vollem Namen genannt werden möchte, um nicht selbst in den Blick der „Querdenker“ zu geraten. Hier ein Selfie, da ein Interview mit einem rechtsradikalen Mitstreiter. Vielen der nach Ahrweiler gereisten Szenepromis scheint es vor allem um die Selbstinszenierung zu gehen. Und auch ihren Aktivismus gegen die Corona-Impfungen stellen manche „Querdenker“ selbst bei der vermeintlichen Katastrophenhilfe nicht hintan. (…) Auch eine Spendensammlung aus der Szene läuft indes weiter: Mehr als 600.000 Euro sind bei der Sammelaktion des Arztes Bodo Schiffmann bereits zusammengekommen. Schiffmann ist HNO-Arzt und seit dem vergangenen Jahr als Protagonist der Corona-Leugner bekannt geworden. Wegen falscher Maskenatteste und des Verdachts der Volksverhetzung geriet er ins Visier der Strafverfolgungsbehörden. Mit dem Geld, das er auf seinem privaten Paypal-Konto sammelt, will Schiffmann offenbar besonders Gleichgesinnten helfen. Er biete allen Bauunternehmen vor Ort Unterstützung an, schreibt Schiffmann auf Telegram, aber unter einer Bedingung: Die „Diskriminierung von Menschen, die sich gegen eine Impfung oder das Tragen von Masken entscheiden“, sei sofort zu beenden. Wenige Sätze später ruft Schiffmann dann dazu auf, am 1. August zu einer „Querdenker“-Demonstration nach Berlin zu reisen. Die Prioritäten scheinen klar gesetzt.