Ein AfD-Politiker, der nur zufällig in eine verbotene Versammlung geraten sein will, widerspricht seinem Bußgeldbescheid. Und er versichert dem Richter in öffentlicher Verhandlung, dass er an rechtswidrigen Veranstaltungen nicht mehr teilnehmen werde. Als am frühen Freitagmorgen am Amtsgericht Bad Salzungen die „Bußgeldsache Christoph Walter“ aufgerufen wird, rechnet vermutlich niemand mit der Erklärung, die der AfD-Politiker abgeben wird, um den Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid wegen vorsätzlicher Teilnahme an einer unerlaubten Ansammlung zu begründen. Christoph Walter erklärt, er sei in den „Abendspaziergang“ derer, die gegen die Auflagen in der Corona-Pandemie demonstrieren, nur zufällig geraten. Und, an jenem Abend, sagt er, „hatte ich mit der Sache nichts gemein“. Irgendwann muss sich Christoph Walter – stellvertretender Kreisvorsitzender der AfD Wartburgkreis, Geschäftsführer der AfD-Kreistagsfraktion, Mitglied des Kreistags und des Stadtrats in Geisa – dann wohl doch mit der Sache gemein gemacht haben. Auf seiner öffentlich einsehbaren Facebook-Seite findet sich vielfach Werbung für die „Spaziergang“ genannten Protestveranstaltungen, die in Bad Salzungen auf dem Markt beginnen und in eine Umrundung des Burgsees in der Stadt münden. Um den ersten dieser Spaziergänge, am 6. Mai 2020, geht es im Ordnungswidrigkeitsverfahren am Amtsgericht – Christoph Walter soll 400 Euro Bußgeld zahlen, weil er an einer verbotenen Versammlung teilgenommen hat. (…) Der Richter ruft den Leiter der Polizeiinspektion Bad Salzungen, an jenem Mai-Abend Einsatzführer, in den Zeugenstand. Lässt sich bestätigen, dass ungefähr 200 Leute sich versammelt hatten, dass die Veranstaltung rechtswidrig war, dass in den Lautsprecherdurchsagen der Polizei Bußgelder angekündigt wurden, falls die Menge sich nicht unverzüglich zerstreue. „Dann“, sagt der Polizeichef, „haben sich zwei Personen gleich an die Spitze gesetzt – eine davon Herr Walter“. Der habe „etwas in der Art von ,gehen wir los gesagt‘“. Alle anderen seien ihm gefolgt und hätten sich – friedlich – „um den Burgsee bewegt“. Masken seien „in der Regel nicht“ getragen worden, der Mindestabstand „wurde meistens nicht eingehalten“. Nein, sagt er, nach Zufall habe das alles nicht ausgesehen. Außerdem habe Christoph Walter später öffentlich gepostet, „die Fußballmillionäre dürfen sich abschlecken, aber ich als freiheitsliebender Mensch darf nicht spazieren gehen“, ebenso die Klage, er sei wegen des Spaziergangs von zwei Polizeibeamten verfolgt worden – diese und andere Botschaften werden auch in der Verhandlung zitiert und als Ausdruck vorgelegt. (…) „Hätte ich zum damaligen Zeitpunkt gewusst, dass es nicht genehmigt war, wäre ich dort nicht zugegen gewesen“, sagt Christoph Walter. Und erklärt auf Nachfrage des Richters, er werde „weiterhin an angemeldeten Veranstaltungen teilnehmen“. An rechtswidrigen? „Nein“. Ob er das auch in den sozialen Medien so kommunizieren werde? Eine Antwort bleibt aus. Der Richter hält es für nicht glaubwürdig, dass ein politisch aktiver Mensch nicht gewusst haben will, wo er gewesen sei – „Sie waren an der Spitze und mittendrin“, sagt er. Und erinnert Christoph Walter daran, dass er als Kreistagsmitglied einen Eid geschworen habe, der sich auch auf Recht und Gesetze beziehe – „so wie sie sind und nicht, wie sie einem gefallen“. Das Urteil bestätigt den Bußgeldbescheid über 400 Euro. Die „Bußgeldsache Christoph Walter“ ist kein Einzelfall. Es wird in nächster Zeit weitere Verhandlungen wegen Verstößen gegen die Pandemie-Auflagen geben.
via insüdthüringen: Verfahren gegen AfD-Politiker – Wenn einem die Leute hinterherlaufen