Manche Bundestagsabgeordnete erhalten im Nebenjob horrende Anwalts- oder Beratungshonorare: Einzelne Vertragspartner zahlen ihnen mehrere Hunderttausend Euro – doch welche finanzstarken Konzerne oder Privatpersonen sich hinter Angaben wie „Mandant 30468“ verbergen, bleibt wegen einer Transparenzlücke verborgen. Vorschläge für strengere Offenlegungspflichten existieren zwar, doch die Umsetzung lässt seit Jahren auf sich warten. Als kürzlich die Affäre um den CDU-Politiker Philipp Amthor aufflog, wurde wieder einmal offensichtlich, dass bei den Transparenzpflichten für Abgeordnete einiges im Argen liegt. Denn Amthors Aktienoptionen des US-Konzerns Augustus Intelligence sowie mehrere Luxusreisen kamen nicht etwa ans Licht, weil der junge Bundestagsabgeordnete zur Offenlegung verpflichtet gewesen wäre (dies war er nach jetzigem Stand nämlich nicht), sondern erst durch die akribische Arbeit von Journalistinnen und Journalisten. Die Verhaltensregeln für Bundestagsabgeordnete sind derart lax, dass Interessenkonflikte oder finanzielle Verflechtungen zwischen Abgeordneten und Unternehmen für die Öffentlichkeit oftmals unsichtbar bleiben. Das Ausmaß ist gigantisch: Bei mindestens 11,2 Mio. Euro ist nach gemeinsamen Recherchen von abgeordnetenwatch.de und SPIEGEL nicht klar, von wem Bundestagsabgeordnete in der laufenden Legislaturperiode durch ihre Nebentätigkeiten Geld erhalten haben. Dies betrifft 56 Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die neben ihrem Bundestagsmandat freiberuflich arbeiten, zum Beispiel als Anwalt, Landwirt oder Unternehmensberater. (…)
Einen rätselhaften Vertragspartner gibt auch der AfD-Abgeordnete und Rechtsanwalt Enrico Komning an, auf seiner Bundestagsseite wird dieser als „Mandant 30468“ bezeichnet. Allein für ihn meldete Komning als Inhaber einer Rechtsanwaltskanzlei seit 2017 ein Honorar von mindestens 700.000 Euro. Komning sitzt im Bundestagsausschuss für Wirtschaft und Energie. Käme der zahlungskräftige Mandant aus einem dieser Bereiche, würde das einen Interessenkonflikt darstellen. Denn dass ein Abgeordneter vollkommen unvoreingenommen über Gesetze mitentscheiden kann, die seine Geschäftspartner direkt oder indirekt betreffen, ist schwer vorstellbar. Nach Recherchen von abgeordnetenwatch.de war Komnings Kanzlei in der Vergangenheit für den Bezahlsender Sky Deutschland rechtsanwaltlich tätig und mahnte Inhaber von Gaststätten ab. Dies geht zum Beispiel aus einem Urteil des Landgerichts Potsdam hervor, in dem die Kanzlei Komning Rechtsanwälte im Zusammenhang mit einer mündlichen Verhandlung am 11. Oktober 2017 als Bevollmächtigter der Sky Deutschland Fernsehen GmbH & Co. KG genannt wird. Da Komning im Bundestag auch mit Digital- und Medienthemen zu tun hat und sich etwa in einer Plenardebatte im Oktober 2018 zum Thema „Geoblocking“ äußerte, wäre eine bestehende Geschäftsbeziehung mit Sky nicht unproblematisch. Sky bestätigte gegenüber abgeordnetenwatch.de, dass die Kanzlei Komning Rechtsanwälte „zur Verfolgung von Ansprüchen illegaler Ausstrahlungen im Gastronomiebereich“ für das Unternehmen tätig gewesen sei. Seit Oktober 2017 seien keine Zahlungen seitens Sky mehr erfolgt und die Geschäftsbeziehung 2019 “endgültig abgewickelt worden”. (…) Manchmal ist der Vertragspartner eines Abgeordneten selbst dann nicht klar, wenn ein konkreter Firmenname genannt wird. Im Bundestagsprofil des AfD-Abgeordneten Heiko Hessenkemper war bis diesen Donnerstag eine Beratungstätigkeit aus dem Jahr 2019 für „Glexsus Smith Klein, Dresden“ aufgeführt, für die Hessenkemper ein Honorar zwischen 7.000 und 15.000 Euro angibt. Das Problem: Ein Unternehmen dieses Namens existiert nicht. In Dresden ist allerdings der britische Pharmakonzern GlaxoSmithKline (GSK) vertreten, der u.a. Impfstoffe herstellt und kürzlich mit der US-Regierung einen Milliarden-Deal zur Entwicklung eines möglichen Covid19-Impfstoffs abgeschlossen hat. GlaxoSmithKline bestätigte gegenüber abgeordnetenwatch.de, Hessenkemper als wissenschaftlichen Experten „über einen externen Dienstleister mit technischen Gutachten beauftragt“ zu haben, erstmals im Jahr 2010 und erneut 2019. Zu keinem Zeitpunkt habe ein politischer Austausch mit ihm stattgefunden. „Seine aktuellen politischen Äußerungen passen nicht zu unseren Werten und erlauben keine weitere Zusammenarbeit“. Der AfD-Abgeordnete schreibt auf seiner Internetseite unter anderem von “einer Politik der Ausplünderung und Umvolkung” und behauptet, eine „perverse politisch-mediale Klasse“ würde “konsequent an der Vernichtung unserer Zivilisation” arbeiten.
via abgeordnetenwath: Millionen aus anonymen Quellen – Wer sind die unbekannten Geldgeber der Abgeordneten?