Bis heute wird der Attentäter von Christchurch auf der Plattform Steam für seine Tat gefeiert. Zudem verbreiten Nutzer dort ungehindert rassistische Propaganda. Experten warnen, Hass werde normalisiert. Der Attentäter von Christchurch will vor der Urteilsverkündung nicht mehr selbst das Wort ergreifen. Ursprünglich hatte der 29-jährige Rechtsextremist aus Australien angekündigt, sich selbst vertreten zu wollen. Es hatte Befürchtungen gegeben, der Angeklagte könnte den Gerichtssaal als Plattform zur Verbreitung seiner rechtsextremistischen Ansichten nutzen. Allerdings hat der Terrorist längst eine treue Anhängerschaft im Netz – und wird bis heute offen glorifiziert, wie Recherchen von tagesschau.de zeigen. Auf der Plattform Steam steht ein Profil online, das dem fanatischen Rechtsextremisten zugerechnet wird. In seinem Gästebuch laufen bis heute Kommentare ein, die den Anschlag mit 51 Todesopfern feiern und den Attentäter als Helden bezeichnen. Er sei eine absolute Legende, ein Held, heißt es dort beispielsweise. Andere Nutzer posteten das Bild einer Schnellfeuerwaffe oder den Code “88”, der für Heil Hitler steht. Die Kommentare werden erst nach einer Prüfung freigeschaltet. (…) In verschiedenen Konten finden sich offene rechtsextreme und rassistische Inhalte. Nutzerinnen und Nutzer benennen sich nach Nazi-Kriegsverbrechern oder nutzen antisemitische Namen wie “JewKiller”. Viele Profile weisen Bezüge zu dem Anschlag von Neuseeland auf. So hatte der Attentäter von Christchurch auf einer Waffen “Kebab Remover” geschrieben. Dieser Begriff wurde Anfang der 1990er-Jahren von serbischen Nationalisten als Propaganda gegen Muslime geprägt, um Massenmorde und Kriegsverbrechen zu relativieren sowie Opfer zu verhöhnen.
Dieser Begriff hat sich in Neonazi-Kreisen zu einem populären Internet-Meme entwickelt. Eine Recherche zeigt, dass sich mehr als 1600 Konten bei Steam als “Kebab Remover” oder ähnlich benennen, darunter sind diverse Konten aus Serbien, Russland, aber auch Großbritannien und Deutschland, die weitere rechtsextreme Motive, Parolen und Codes benutzen. Auch eine Anleitung zum “Entfernen” von “Kebabs” – als rassistische Bezeichnung für Muslime – wird auf Steam verbreitet. Angeblich handelt es sich dabei um eine Satire. Dies sei eine gängige Praxis, sagt der Kulturwissenschaftler Christian Huberts, der sich seit Jahren mit Gaming-Kultur und Radikalisierung beschäftigt. Im Gespräch mit tagesschau.de betont er, rechtsextreme Ideologie werde als “Spaß” verkauft. Dahinter stecke eine gezielte Strategie, die in Handbüchern der amerikanischen Alt-Right-Bewegung sowie der Neuen Rechten in Europa beschrieben wird.
“Normalisierung”Was Spaß und was Ernst sei, lasse sich kaum noch unterscheiden, führt Huberts aus. Es gebe “keinen Konsens mehr über Grenzen des Sprechens”. Durch lancierte Begriffe wie “Social Justice Warrior” – in etwa “Gutmensch” – hätten es rechte Aktivisten geschafft, “sich selbst als offen, tolerant und subversiv zu vermarkten, während Gegenrede als Verbohrtheit und Humorlosigkeit” erscheine. Bei rechtsextreme Symbolen, Codes sowie der Glorifizierung von Terroristen “verschwimmen oft die Grenzen zwischen den Wenigen, die es ernst meinen, und jenen, die für mehr soziale Resonanz provozieren, trollen und triggern”. Problematisch daran sei, warnt Huberts, “dass so langfristig Formen menschenverachtender Sprache und Symbole zur Normalität werden”. Dazu zählen auch extrem sexistische Inhalte
via tagesschau: Christchurch-Anschlag Steam-Nutzer glorifizieren Attentäter
siehe auch: Experte zu Steam “Hass wird normalisiert”. Im Interview mit tagesschau.de erklärt der Kulturwissenschaftler Christian Huberts, wie rechtsradikale Aktivisten versuchen, Propaganda und Hetze zu normalisieren. Deutlich kritisiert er die Betreiberfirma von Steam. Huberts beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Computergames und schreibt über deren Ästhetik in verschiedenen Medien.