In der Nacht zum 1. Februar 1945 trieben SS-Leute im ostpreußischen Palmnicken Tausende Juden auf das Eis der Ostsee und erschossen sie. Jahrzehntelang weiß kaum einer davon – auch die jüdische Gemeinde nicht. Den Tausenden wieder einen Namen geben, ihnen ein würdiges Andenken ermöglichen. Das ist es, was Leonid Plitman will. Bis zu 7000 Juden wurden von der SS Ende Januar 1945 in Ostpreußen getötet. Manche sagen, es waren weniger, andere mehr. “Die genaue Zahl kennt heute keiner”, sagt Plitman, 72. Er ist ein energischer Mann und arbeitet noch als Bauunternehmer. Vor allem aber ist er Vorsteher der jüdischen Gemeinde in Kaliningrad, ehemals Königsberg. “Nicht nur, dass die Tat grausam war, sie und die vielen Opfer wurden lange vergessen. Das darf nie wieder passieren.” (…) Mehr als 50 Jahre sollten nach der Gräueltat vergehen, bis Plitman davon erfuhr: Martin Bergau, einst stolzes Mitglied der Hitlerjugend, veröffentlichte 1994 unter dem Titel “Der Junge von der Bernsteinküste” ein Buch über seine Kindheit in Ostpreußen. Er beschreibt darin, wie 1945, noch während des Zweiten Weltkrieges, im Küstenort Palmnicken, heute Jantarnyj, jüdische Frauen getötet wurden. (…) Es herrschten Schnee, Sturm und Temperaturen bis zu 20 Grad minus, als SS-Einheiten im Januar 1945 in aller Eile jüdische Häftlinge der Außenlager des KZ Stutthof nach Königsberg trieben. Deutsche, die nach Westen flüchteten, kamen ihnen entgegen; die Rote Armee war bereits ins Deutsche Reich vorgedrungen. (…) Bis zu 2500 Häftlinge überlebten den Zwangsmarsch nicht. Erschöpft erreichten die Übrigen Palmnicken, wo die SS sie in einem Grubenstollen einmauern lassen wollte. Doch der Werksdirektor weigerte sich, stellte sich schützend vor die jüdischen Gefangenen. Wenige Tage später wurde er tot aufgefunden, und SS-Schergen richteten zuvor geflohene Häftlinge hin.(…) Das, was in der Nacht zum 1. Februar passierte, ist weit weniger bekannt: Die SS führte die verbliebenen Häftlinge zum Strand. Die 3000 bis 5500 Menschen mussten am vereisten Meer entlanglaufen, sich dann in Gruppen aufs Eis legen. Die Wachleute feuerten dann mit Maschinenpistolen auf die Menschen, wie eine Überlebende später in Tel Aviv erzählte. Viele Verwundete brachen ein, ertranken im eiskalten Wasser zwischen den Eisschollen oder erfroren.
via spon: Holocaust in Ostpreußen Der fast vergessene Massenmord am Bernsteinstrand